Von den Wahrheiten

… spricht heute kaum noch jemand. Außer wenn es gilt, einer Lüge vorzubeugen oder die Lügen anderer anzuprangern.

Die Wahrheit ist das scheueste »Wild« auf der gesellschaftlichen Bühne. Aber brauchen wir sie wirklich? Modert sie nicht längst im Tugend-Müll unserer Eltern oder Großeltern? – Offensichtlich ja, denn Lügen sind gesellschaftsfähig geworden. Selbst Bücher verherrlichen diese Form der Kommunikation und verdächtigen die Wahrheit als Sprengsatz für zwischenmenschlichen Frieden.

Andererseits verpflichten uns Richter zur Wahrheit und drohen damit, jede Lüge drastisch zu ahnden. Auch Journalisten sind scheinbar täglich auf der Suche nach Wahrheit, oder suchen sie nur nach exklusiv verkäuflichen Storys? Sogar Politiker scheinen gierig nach Wahrheit zu sein, offenbar aber nur dann, wenn dahinter verborgene Missetaten ihrer Widersacher lauern.

 

Konrad Adenauer, erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, bekannte sich mutig zu verschiedenen Wahrheiten. Er unterschied einfache, reine und lautere Wahrheiten. Dabei lieferte er beinahe schon eine komplette Systematik dafür. Um Einflüsse auf Chancengleichheit und kollektive Inkompetenzen zu werten, benötigen wir jedoch außer der Lüge noch die halbe, lautere sowie die reine oder absolute Wahrheit. 

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Von den Lügen

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Aus dem Titel - Von den Wahrheiten

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Jede bewusste Lüge entsteht als Ergebnis einer Entscheidung. Beginnend mit dem Zweifel, ob eine geplante Aussage schädlich für die eigenen Ziele sein könnte. Gleichzeitig ruft die Zweifelaufregung weitere Gedanken im Gehirn auf, um möglichst viele Aspekte zu beleuchten. Somit kann die Lügenoption auch wieder verworfen werden.

Auf jeden Fall aber sorgt der Zweifel für den Abgleich der Lüge mit allen im Gehirn auffindbaren Informationen. ‒ Führt dann der Lügenplan mit einem guten Gefühl zur Entscheidung, kann der Lügner relativ sicher sein, dass diese Unwahrheit keine eigenen Ziele gefährdet.

Gelegenheiten dazu häufen sich heute. Sie entstehen meist dann, wenn sogenannte Experten mit Fachkompetenzen aufwarten, denen ihre Gesprächspartner kaum folgen können. Oder wenn die Aufklärung einer Lüge sich sehr aufwendig gestalten würde, wie beispielsweise bei Zahlenwerken zur Kostenberechnung von größeren Investitionen. Deshalb sind die meisten solcher Ergebnisse überhöht, um geheime Reserven zu schaffen, mit denen sich eigene Fehler leicht übertünchen lassen. Gleichzeitig entstehen dabei korruptionsträchtige Konstellationen.

Zur Erklärung: Eigene Planungsfehler kosten mit dem Geld des Auftraggebers auch die eigene Reputation, um weitere Aufträge zu erhalten. Werden diese Fehler aber aus den verschleierten Reserven bezahlt, braucht niemand sie zu erfahren. Die Weste bleibt weiß.

Der monetäre Schaden daraus ist beträchtlich. Geschätzt aus eigener beruflicher Rechercheerfahrung etwa 20 Prozent aller Investitionsbudgets. Auch neigen solche Experten dazu, diese Übertreibungen gewohnheitsmäßig durchzuführen und damit zu Dauerlügnern »auf oder -abzusteigen«. Unterdrückte Zweifel verhindern dann jede Selbstkontrolle, doch solange fachliche und soziale Umstände konstant bleiben, fällt auch dies nicht auf.

Viel größer ist jedoch der Motivationsschaden daraus. Die Möglichkeit, durch Kostenlügen eigene Reserven zu schaffen und damit gleichzeitig noch öffentlich fehlerfrei zu glänzen ist so verlockend, dass sich nur wenige diesem Sog entziehen können.

Ja, damit öffnen sich sogar Wege für den kompetenzarmen Aufstieg (Wichtigtuer), sodass viele kompetente ehrliche Fachkräfte vergeblich auf ihre Karriere warten müssen (Friedliche). Überdies entstehen in den Kreisen kompetenzarm aufgestiegener stille kartellartige Seilschaften, die es einem seriösen Aufstiegswilligen beinahe unmöglich machen, den »erlauchten« Lügner Kreis aufzuweichen.

Die einschlägige Literatur darüber, wie man Lügen erkennt, ist recht umfangreich. Sie enthüllt zahlreiche stimmliche, mimische und körperliche Merkmale, die eine Lüge verraten sollen. Allerdings sind sie unsicher, weil die einzelnen Lügenzeichen sehr stark vom emotionalen Hintergrund des Lügners und der Situation abhängen. Auch bilden sie untereinander kaum Bezüge, wie beispielsweise Äste und Zweige zum Baum. So gelingt der praktische Umgang mit diesen Merkmalen meist nur den professionellen Lügendetektiven. Doch ob die Lügenerkennung auch eine Lüge ist, lässt sich nur aufwendig nachweisen.

Lügen notorische Schwindler oder gut eingeschliffene Lügen zeigen überdies gar keine unbeabsichtigten Regungen. Denn sie entstehen völlig angstfrei, also ohne unkontrollierbare Emotionen. Selbst Lügendetektoren versagen hier (Wichtigtuer). Solche Lügendetektoren würden sogar schon den Zweifel an einer geplanten Antwort als Lüge registrieren.

 

Und selbst wenn Lügendetektoren anschlagen oder Bewegungsmerkmale eine Lüge vermuten lassen, lässt sie sich nicht weiter verfolgen. Denn kein Detektor sagt, was für eine Lüge es ist. Besser ist allemal eine Plausibilitätskontrolle, die allerdings durch fachtechnisches Kompetenzgefälle zwischen Lügner und Belogenem oft sogar unmöglich ist. Deshalb werden Sie in Titel »Denken in Erkenntnissen« eine Denkmethode kennenlernen, die Ihnen solche Kontrollen mit höchstem Erfolgsfaktor ermöglicht.

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Die halbe Wahrheit

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Aus dem Titel - Von den Wahrheiten

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

»Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge«. So ein Zitat aus den USA. ‒ Zwar kann eine halbe Wahrheit genauso viel und oft sogar schlimmeres anrichten als eine ganze Lüge, doch tatsächlich ist sie keine Lüge. Zu einer echten Lüge gehört nämlich das Abwägen zwischen eigenem Vorteil und dem Risiko, erwischt zu werden. Und dies gepaart mit dem unausweichlichem Zweifel und seinen emotionalen Folgen.

Die halbe Wahrheit besteht schließlich nur daraus, etwas wegzulassen. Weglassen von entscheidenden Informationen, um den Partner zur gewünschten falschen Entscheidung zu treiben. Und das völlig gefahrlos. Denn wer bitte kann Vergessen anklagen? 

Beispielsweise ein Personalchef, der unbedingt den vor ihm sitzenden Ingenieur einstellen möchte. Er wird die Entwicklungsabteilung artig loben, Aufstiegschancen erwähnen, aber den »Zusagekiller« verschweigen. Nämlich, dass die letzten beiden Spitzeningenieure gekündigt haben, weil sie unerträglich gemobbt wurden.

Dem Bewerber bleibt keine Chance, wenn er nicht zufällig jemanden aus der Entwicklungsabteilung gut kennt. Auch eine logische Prüfung fällt hier aus, denn es gibt keine Anhaltspunkte für derartige Überlegungen. Und Personalchefs sind meist gewiefte Akteure, die sicher schon andere Bewerber geopfert haben.

Diese Leichtigkeit mit der schon halbe Wahrheiten erfolgreich manipulieren können, verführt viele Zeitgenossen dazu, sie anzuwenden. Gefühlt sind Politiker hier unangefochtene Meister. Gefolgt von Managern, Wissenschaftlern, Experten, Werbefachleuten und Vorgesetzten. Nicht zu vergessen die meisten Handelsvertreter und selbstverständlich wir alle.

 

Diese halbe Wahrheit fördert die kollektive Inkompetenz erheblich. Denn sie verwirrt unsere Gedanken umso intensiver, je weniger Eigenkompetenz wir entwickelt haben. Doch kompetente Mitmenschen erkennen in jeder Nachrichtensendung zahlreiche irreführende Unterlassungen und können in Gesprächen durch mehrfaches Nachfragen beinahe jeden Gesprächspartner so verunsichern, dass er innerlich zur Vorsicht genötigt wird. ‒ Wie das funktioniert, besprechen wir im Titel »Denken in Erkenntnissen«. 

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Lautere Wahrheiten

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Aus dem Titel - Von den Wahrheiten

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Die lautere Wahrheit wurde zwar von Konrad Adenauer genannt, leider aber nie erklärt. Auch andere Quellen geben keine zufriedenstellende Definition. Vielleicht hilft der Glaube von Albert Schweizer weiter:

Als unverlierbaren Kinderglauben habe ich mir den an die Wahrheit bewahrt. Ich bin der Zuversicht, dass der aus der Wahrheit kommende Geist stärker ist als die Macht der Verhältnisse.

Wenn Albert Schweitzer hier die lautere Wahrheit gesagt hat, dann entsprach seine Gesinnung jener seines legendären Wirkens im Urwaldholspital von Lambaréné. Vor diesem Hintergrund möchte ich die von Konrad Adenauer unterlassene Definition zur lauteren Wahrheit ergänzen.

Es ist jene Wahrheit, die nach bestem Wissen und Gewissen zum Vorteil eines jeden Gesprächspartners gereicht.

Diese Wahrheitsform wird immer rein hypothetisch bleiben. Denn sie ist nicht kontrollierbar. Deshalb kann sie nur als moralisches Ziel dienen. Doch andere, ebenfalls als lauter im weitesten Sinne zu bezeichnende Wahrheitsformen, kennen sehr wohl auch schädliche Auswüchse.

Beispielsweise die Herzenslüge, auch soziale Lüge genannt. Sie soll den sozialen Zusammenhalt fördern, indem verletzende Wahrheiten geschönt oder erst gar nicht ausgesprochen werden. Eine alltägliche Angelegenheit. Sie vermeidet Stress mit Gesprächspartnern und fördert damit auch die Erfüllung eigener Wünsche.

So jene Buchautoren, die Wahrheiten sogar als Sprengsatz für zwischenmenschlichen Frieden brandmarken. Doch habe ich bisher noch kein Glückbuch gelesen, das diese gefährlichen Kehrseiten der sozialen Lügen herausstellt. Denn Herzenslügen führen schnell zu Heucheleien, Scheinheiligkeiten oder Schmeicheleien mit dem Potenzial, großen materiellen und seelischen Schaden anzurichten. Selbst Erwachsene lassen sich davon gern einwickeln und formen damit ein trügerisches Selbstbild, gefolgt von falschen Entscheidungen.

 

Kinder entwickeln daraus viel zu oft ihre eigene Wirklichkeit überzogen positiv. Dies fördert dann überzogene soziale Ansprüche sowie naive unerfüllbare Partner- und Berufswünsche, gefolgt von Selbstmitleid, Depressionen bis hin zu Drogenkonsum, Kriminalität und Suizidneigung. Siehe »Falsche Anerkennung«. 

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Die absolute Wahrheit

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Aus dem Titel - Von den Wahrheiten

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Wahrheitsapostel sowie Geisteswissenschaftler sind sich einig. Die absolute oder reine, unverrückbare, unanfechtbare, allumfassende Wahrheit existiert nur als Fata Morgana. Dieser Einsicht schließe ich mich an, doch deshalb dürfen wir sie nicht beiseitelegen, denn wir brauchen sie als Zielpunkt ‒ aber nicht, um sie anderen aufzubürden, sondern ausschließlich für uns selbst.

Als Hintergrund für bewusste Entscheidungen verwenden Menschen heute meist die eigene Wahrheit. Doch sind wir sicher, dass diese eigene Wahrheit auch wirklich wahr ist? Schließlich entwickelt sie sich als sozialer Spielball, der von zahlreichen äußeren Einflüssen getreten und verunstaltet wird. Jeder einzelne soziale Kontakt, ob persönlich oder über Medien, kann ihn durch Lügen oder falsch verstandene Informationen weiter verformen.

Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass unsere eigene Wahrheit nicht nur schwankt, sondern weit weg vom Ideal der absoluten Wahrheit »segelt«.

Wenn jedoch eine bewusste Entscheidung ansteht und uns Zweifel quälen, sollten wir immer nach mehr reiner Wahrheit fahnden. Denn schon die Suche danach garantiert meist treffendere Entscheidungen.

Das ist sicher weniger dramatisch, wenn es morgens um eine Hemdfarbe oder das Muster der Bluse geht. Doch wenn Sie ein neues Kleidungsstück kaufen, entscheiden oft Schnitt, Farben und Muster, ob es den Motten im Schrank zum Opfer fällt oder der Waschmaschine.

Natürlich ist dies leichter gesagt, als wirklich getan. Denn in einer Boutique wirken neben dem gestylten Verkaufspersonal noch aufreizende Plakate mit attraktiven Zeitgenossen auf die eigene Wirklichkeit ein. Außerdem treiben oft oberflächliche, wenig durchdachte Vorstellungen erst zum Kleiderkauf hin. All dies führt letztlich zu schnell 90 Prozent reiner Mottennahrung in den Kleiderschränken. Allerdings immer nur dann, wenn der Zweifelanstoß zur Wahrheitssuche missachtet wird.

Nutzlos umherhängende Kleider sind sicher noch zu verkraften. Doch ein falscher Beruf, falscher Wohnort, falscher Arbeitgeber oder gar ein treuloser Lebenspartner geht schon an die Substanz.

 

Natürlich werden Sie niemals der absoluten Wahrheit sehr nahe kommen, aber jeder Zentimeter auf diesem Weg führt zu nachhaltigeren Entscheidungen und damit auch zu gesteigerter Kompetenz. Denn eine Kompetenz, die Sie mit eigenem Denken selbst erschaffen haben, bleibt zeitlebens bestehen und mehrt sich. ‒ Wie das einfacher als gedacht funktioniert, besprechen wir im Titel »Denken in Erkenntnissen«.

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Gruppenwahrheiten

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Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Gemeinschaftliches Versagen wächst ständig. Dabei denken Sie sicher an Tatorte wie Flugplatz Schönefeld bei Berlin, Elbphilharmonie in Hamburg und Bahnhof Stuttgart 21. Projekte, deren Kosten und Bauzeiten sich während der Herstellung auf mehr als das Doppelte blähten. Entscheidend beteiligt an den Milliardenschäden waren jeweils mehr als 100 Politiker und Spezialisten.

Weit größere Schäden bescherten vermeidbare politische Schauplätze. Schadensummen von bis zu 100 Milliarden Euro winken beispielsweise aus der Finanzkrise in Griechenland. Auch der Brexit in England wird Einbußen in ähnlicher Höhe verursachen. Beteiligt waren und sind hier jeweils mehr als 500 entscheidende Akteure.

Die schwersten Verluste aber entstanden durch vermeidbare Kriege. Jüngst jene in Afghanistan, im Irak und in Syrien. Neben ungezählten Opfern verschlingen solche Schauplätze Billionen Euros, kanalisiert von geschätzt jeweils über 5.000 Militärexperten, Verwaltungsbeamten, Rüstungsfirmen und natürlich Politikern. Euros oder Dollars, deren Höhe und Verbleib kaum kontrolliert werden kann.

Letztlich aber sind wir alle an den Schäden beteiligt. Kriegsopfer mit ihrem Leben. Wichtigtuer meist mit Karrierefortschritt. Alle anderen mit Steuern, die nicht zum Wohl der Bevölkerung beitragen.

Kollektive Inkompetenz wächst offenbar mit der Gruppengröße. So steht es auch in vielen Forschungsberichten. Acht Gruppenteilnehmer sollen optimal sein. In den vorstehenden Projektbeispielen verfolgten jeweils etwa 100 bis 5.000 planende, organisierende oder leitende Teilnehmer ein gemeinsames Ziel. Und beinahe jeder durfte entscheiden oder mitentscheiden.

Schon kleine Gruppen leiden unter Verantwortungslosigkeit nach dem Motto »TEAM = Toll, Ein Anderer Machts«. Größere Teams kranken zusätzlich unter explodierender sachlicher und sozialer Komplexität. ‒ Sachlich, weil Gesetze, Verordnungen, Richtlinien usw. immer kompliziertere Techniken erzwingen. ‒ Sozial, weil jeder Teilnehmer neben den gemeinsamen Zielen auch seine Karriereziele verfolgt. Computer und Internet helfen zwar, verführen jedoch mit Informationsfluten und leichter Blähbarkeit zu noch undurchsichtigeren Lösungen.

Protagonisten, also Führungskräfte, verstehen heute immer weniger von der Sache. Genauer, von dem, was große Projekte eigentlich können müssen, denn meist sind es Organisatoren, Betriebswirte, Juristen oder gar Politiker. Sie haben kaum Chancen, die Ergebnisse von Spezialisten wenigstens auf Plausibilität zu prüfen. So wird ihre Inkompetenz noch viele Projekte ruinieren.

Dabei stellt sich die bange Frage: „Wie können heutige Demokratien überhaupt funktionieren?“ Schließlich entscheiden hier Millionen Menschen über Führungsgremien. Glauben zu jedem Ereignis Heerscharen sogenannter Experten, Lobbyisten, Journalisten und unzählige Nutzer sozialer Netzwerke daran, selbst »alle Weisheiten mit Löffeln gefressen zu haben«. Eigentlich undenkbar. Doch fanden Eliten einen Klebstoff, der dieses Tohuwabohu bündelt.

Nun – dieser Alleskleber heißt: Verniedlichen, verschleiern, übertünchen und unter den Tisch kehren. Protagonisten aus Schusslinien entfernen und Bauernopfer vorbereiten. ‒ So verkommen offizielle Informationen zu Halbwahrheiten oder gar Lügen. Ein offener Infektionsherd für Inkompetenzen aller Art. Und natürlich wirkt dieser Alleskleber auch in kleineren Gruppierungen bis hin zur eheartigen Kleinstgruppe.

Wir alle spüren die wachsende Unfähigkeit von größeren Kollektiven, Wesentliches zu bewegen. Unser Bedürfnis nach Vorbildern endet beinahe permanent mit Enttäuschungen. Führungsvertrauen schwindet. Niemand besitzt offenbar den richtigen Kompass. Deshalb sprechen Politiker heute kaum noch von Fortschritt, sondern vom »Bohren dicker Bretter« sowie vom »Vorwärtskommen in Trippelschritten«. Damit hoffen sie, eigene, sowie kollektive Inkompetenzen ihrer Institutionen kaschieren zu können.

 

Offenbar hat sich unsere Gesellschaft national als auch international festgefahren. Schier unlösbare Probleme häufen sich seit Jahrzehnten. Etablierte Parteien rücken in der ominösen politischen Mitte zusammen und vermitteln kaum noch Alternativen. In ihrer Not flüchten viele Wähler in die Nichtwählerfraktion oder zu den rechts- und links außen verbliebenen Parteien. Selbst Wissenschaftler glänzen mit Sprachlosigkeit. 

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Essenz und Ausblick

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Aus dem Titel - Von den Wahrheiten

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

»Du sollst nicht falsch Zeugnis reden«. So steht es bereits wörtlich im achten Gebot der christlichen Bibel. Keine Religion stellt Tugenden wie Wahrheit, Liebe und Barmherzigkeit so in den Vordergrund. Selbst wenn diese Gebote nur zum Schein eingehalten wurden, schürten sie doch in den Gehirnen vieler Menschen das schlechte Gewissen und verhinderten allerschlimmste Exzesse. Wahrheit konnte gedeihen, wenn auch nur als Mauerblümchen. Und selbst diesem kleinen Wahrheitsvorsprung folgten Kompetenzen mit weittragenden Konsequenzen.

Sicher ließe sich trefflich darüber streiten. Doch dieser biblische Appell an Wahrheit, Liebe und Barmherzigkeit scheint mir für eine besondere Fähigkeit des christlichen Europas verantwortlich. Nämlich der Fähigkeit, im letzten Jahrtausend fast alle großen Entdeckungen hervorzubringen und damit diese Welt zu erobern – leider auch auszubeuten, zu unterdrücken und sogar im Namen des Kreuzes zu morden.

Heute schwindet die wissenschaftliche Vorherrschaft der westlichen Welt. Am meisten dort, wo Menschen das Christentum nur noch scheinheilig leben oder gar nicht. So können sich Lügen ungehemmt ausbreiten, um die Wahrheit gemeinsam mit großen Teilen der Kompetenz zu vergraben.

Die Frage: „Warum lügen wir?“, ist zufriedenstellend geklärt, denn wir wollen unsere Vorteile waren. Doch orteten Wissenschaftler auch Lügengrenzen innerhalb von Gemeinschaften. Menschen waren in Experimenten umso ehrlicher, je mehr Sie ihre eigene Zukunft mit der zu betrügenden Gemeinschaft verbanden. Sie identifizieren sich intensiver mit kleinen, denn mit großen Gemeinschaften. Das erklärt auch, weshalb kleine Gemeinschaften relativ erfolgreicher sind als große.

Doch gab es auch Zeiten, in denen selbst größte Gemeinschaften erfolgreich waren. Dazu gehörte das Wirtschaftswunder in Deutschland sowie die Anstrengungen zur Mondlandung der Amerikaner bis 1969. Leider gab es damals noch keine Lügenforschung. Sie hätte sicher erstaunliche Mindestwerte gezeigt.

Ganz sicher gilt das auch für Kriege gegen äußere Bedrohungen. Das Feindbild schweißt Soldaten eng mit ihrer Aktionsgruppe zusammen. Denn der Untergang ihrer Aktionsgruppe käme dem eigenen Untergang fast gleich. Das gilt etwas abgeschwächt auch für ihre Kompanie, ihr Bataillon bis hin zu den nationalen Streitkräften. Je größer die zwischenmenschliche Ehrlichkeit, desto größer die Schlagkraft einer Truppe.

In meiner Wehrdienstzeit spürte ich äußere Bedrohungen weniger durch den damals theoretisch anmutenden Feind im Osten. Dafür weit intensiver durch die unmittelbaren Vorgesetzten in der Grundausbildung. Innerhalb meiner Gruppe gab es deshalb ein nie wieder erlebtes gegenseitiges Vertrauen. Eine Kameradschaft, an die ich gern zurückdenke.

Auch heute finden wir noch viele Ehrlichkeitsinseln. Mannschaftssportarten gehören ebenso wie Selbsthilfegruppen dazu. In Vereinen, Parteien, Genossenschaften und Gewerkschaften aber nur noch bedingt, denn sie sind meist zu sehr kommerzialisiert. In großen Unternehmen, öffentlichen Organisationen sowie in den Organen des Staates wird sich kaum Ehrlichkeit ausbreiten können. Hier hat der Einzelerfolg kaum noch mit dem Institutionserfolg zu tun.

Doch allem überstülpt sich das Gefälle zwischen ehrlicheren Friedlichen und eher lügenden Wichtigtuern. Im Titel »Von attraktiven Menschen« finden Sie dies noch ausführlicher.

Herrscher und Despoten versuchen seit Menschengedenken, ihren Untertanen das Lügen zu verbieten. Immer ahnend, dass sie sich umso leichter regieren lassen, je mehr Wahrheit gegenüber der Obrigkeit waltet. Selbst aber hielten sie sich nur selten daran. Deshalb hat ihnen dieses Verbot auch nicht geholfen, denn ihre Gesprächspartner waren selten wertschaffende ehrliche Friedliche, sondern ihr eigenes lügendes Gefolge. Jene Wichtigtuer, die ihnen große Steueranteile vorenthielten und damit viele Dynastien in den Ruin trieben. Manche nennen es Korruption.

Wenn Politiker sich der allgemeinen Wahrheit verpflichten würden und dafür ebenso wie für Umweltschutz oder gegen Kriege kämpften, wäre dies ein Weg zur Besserung. Denn Umweltverschmutzung, Krisen und Kriege speisen sich aus Lügen und Mobbing. Siehe dazu  »Kompetenzgrab Wahrheit« und »Grenzenloses Mobbing«.

Fehlende Wahrheiten als treibende Kräfte für kollektive Inkompetenzen werden wir nicht nur hier, sondern in vielen weiteren Themen antreffen. Schon der nächste Titel zeigt, dass glücklich erscheinende 

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Kommentare: 1
  • #1

    Hans-J. Schubert (Mittwoch, 03 Juli 2019 09:49)

    Testkommentar:
    Von den Wahrheiten: Was bitte ist die reine Wahrheit?