Wie wir denken und entscheiden

… können oder wollen Wissenschaftler oder Eliteträger nicht preisgeben. Doch ihre Forschungsergebnisse offenbaren indirekt viele Geheimnisse des Denkens.

Neuroforscher beschreiben Denken gern mit vielen Worten. Doch inhaltlich ebenso dünn wie diese psychologische Definition: »Denken ist eine Mischung aus Gedächtnisleistung und logisch abstrakter Symbolverarbeitung« (Wikipedia, Denken). Wer bitte kann damit etwas anfangen? Ich jedenfalls nicht.

Wer das Denken anderer Menschen verstehen will, der sollte »vor der eigenen Tür kehren«, so wie im nachfolgenden Buchauszug:

Mein Verhältnis zur Informationsflut ist das einer permanenten Herabstufung. Ich spüre, dass mein biologisches Endgerät im Kopf nur über eingeschränkte Funktionen verfügt und in seiner Konfusion beginnt, eine Menge falscher Dinge zu lernen. …..

Mit diesen Sätzen trifft Frank Schirrmacher in seinem Buch »Payback« den Zustand unserer Gehirne wie den seines eigenen. Wenn Neurowissenschaftler sich mit ihren eigenen Gedanken so intensiv auseinandergesetzt hätten, wäre dieser Titel oder sogar die ganze Schrift nicht mehr notwendig. Denn verstehbare Gehirnfunktionen gehörten längst zum Alltag und hätten die Chancen-Ungleichheit weitgehend entschärft.  

Stattdessen beanspruchen Neurowissenschaftler heute die Deutungshoheit für alle Bereiche, die irgendetwas mit dem Gehirn zu tun haben. So mischen sich Neurowissenschaftler in Werbung, Schulwesen, Managementstrategien und viele Domänen mehr ein. - Und dies, obwohl sie nicht erklären können, wie unsere Gehirne denken. Wie sie Informationen speichern, wiedergeben und damit entscheiden.

Deshalb können wir aus Wissenschaftskreisen auch wenig Hilfe bei der Bewältigung von Chancengleichheit, Erfolgsgerechtigkeit, Schulverdrossenheit oder der Informationsschwemme erwarten. Dies waren nur einige Treiber der kollektiven Inkompetenz, die dringend auf Hilfe warten.

Als Ausrede für ihre Sprachlosigkeit behaupten Neurowissenschaftler, dass unsere Gehirne hyperkomplex arbeiten. Was bitte heißt das? ‒ Hiermit kann nur gemeint sein, dass Gehirnfunktionen nur für Spezialisten verstehbar sein werden. Einsichtige Erklärungen dafür sind nicht zu erwarten. Oder wollen uns Gehirnforscher gar manipulieren? Uns ähnlich vieler sogenannter Experten ihre Unersetzlichkeit überstülpen, um »im Trüben fischen« zu können?

Die bisherige Wissenschaftsgeschichte unterstreicht dies. Alle bedeutenden Erkenntnisse lassen sich einsichtig sogar für Laien erklären, beginnend mit der Gravitation bis hin zur Evolutionstheorie. Denn erst Transparenz schützt Menschen vor unterdrückenden Manipulationen. Warum soll das beim Gehirn anders sein?

Und Tatsächlich liegen mittlerweile ausreichend Forschungsergebnisse vor. Ergebnisse, aus denen sich eine verständliche Systematik entwickeln ließ, die sowohl unser Denken als auch unser Verhalten erklärt. Diese Systematik nennen wir Oszillatorprinzip.

Vollständig erklärt hatte ich diese Denksystematik im Buch »Erfolgs-Sabotage im Gehirn«. Auf der Webseite www.gehirnsabotage.de/quellennachweise können Sie Kurzfassungen dazu herunterladen.

Die nachfolgende Kurzversion erklärt das Denken aus Emotionen heraus. Denn Emotionen steuern alle Denkvorgänge und bestimmen jede Entscheidung.

Ich weiß, dass die kommenden Untertitel dieses Titels erhebliche Anforderungen an Ihr abstraktes Denkvermögen stellen werden. Bitte tun Sie sich den Gefallen, diese Zeilen nach Kaffeepausen zwischendurch solange zu lesen, bis Sie meinen, Ihr Gehirn verstanden zu haben. Sollte dies nicht gelingen, kann ich vielleicht helfen. Schreiben Sie mir unter hj@gt-partner.de

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Ähnlichkeiten und Assoziationen führen zum Lernen

Schon der griechische Denker Aristoteles beschrieb vor über 2.000 Jahren, dass Erinnerungen meist von ähnlichen Sinneseindrücken ausgehen. Wenn Sie also Buchen kennen, werden sie auch ein einsames Buchenblatt auf dem Fußweg als Erinnerung spüren.

Doch unsere Gehirne können noch mehr. Sie rufen weitere damit verbundene ähnliche Erinnerungen auf. So kann uns dieses Buchenblatt tagträumend zu Zweigen, Ästen oder gar ganzen Wäldern sowie den Erlebnissen darin führen. Die so aufgerufenen zusätzlichen Erinnerungen tauchen nacheinander im Bewusstsein auf, wirken eigenständig oder erweitern die Bedeutung des Buchenblattes. Psychologen nennen sie »Assoziationen«.

 

Solche Assoziationen entstehen nicht nur zu einfachen Ähnlichkeiten wie Formen, Farben, Größen, Tönen, Bewegungen usw., sondern folgen auch Bedeutungen, Ereignissen, Vorlieben, Charakteren, Emotionen, Attraktivitäten und vielem mehr. 

·         Physiologisch bestehen Erinnerungen aus Oszillatoren, also aus Schwingungserzeugern, die zum Beispiel Radiosendungen übertragen. Im Gehirn erscheinen sie als Nervenzellhaufen, die aus ähnlichen Sinneseindrücken heraus zünden, und gemeinschaftlich schnell hintereinander feuern. Je nach Umfang der Erinnerungen sind tausende bis Millionen Neuronen (Nervenzellen im Gehirn) an einem Oszillator beteiligt.

·         Forscher messen solche Ereignisse mit EEG (Elektroenzephalografie) oder fMRT (Funktionelle Magnetresonanztomographie) wie in Bild 2. EEG liefert Oszillationen, also elektrische Schwingungen aus dem Gehirn. fMRT liefert Schnitt-Bilder, auf denen Oszillatoren als Flecken erscheinen (Bild 2). Flecken kennzeichnen Stellen mit hohen Neuronenaktivitäten, hervorgerufen aus den Stoffwechselprodukten dicht angeordneter und schnell feuernder Nervenzellen.

·         Ursprung dieser Neuronenaktivitäten sind die Sensorzellen unserer Sinnesorgane. Also Zellen in Augen, Ohren, Nase, Gaumen und in der Haut. Werden sie angeregt, feuern diese Sensorzellen ihre Impulse über tausendfache Nerven-Verbindungen zu den Sinneszentren im Vorhof des Gehirns. Sinneszentren bereiten die Impulse auf für den Informationsaustausch und senden sie weiter ins denkende Gehirn.

·         Damit überfluten sie das Gehirn mit Milliarden elektrischer Impulse in jeder Sekunde. Eine Impulsflut, die alle Botschaften der Sinnesorgane in räumlich zeitlich rhythmischer Form enthält.

·         Dieser Impulsschwarm wiederum trifft Millionen ruhende Oszillatoren. Aber nur jene, deren innere Struktur einer dieser Botschaften ähnelt, zünden und beginnen zu schwingen. Dabei erzeugen Sie selbst ein Schwingmuster, das natürlich dem auslösenden Impulsfeuer ähnelt.

·         Doch die Impulse der aufschwingenden Oszillatoren enthalten nicht nur die Anstoßinformationen, sondern je nach Erinnerungsumfang weitere ähnliche Nachrichten. Deshalb sind Erinnerungsoszillatoren in der Lage, weitere Oszillatoren mit ähnlichen Erinnerungen anzustoßen.

 

·         So kann die Erinnerung an ein Buchenblatt sowohl Bäume als auch Erlebnisse unter einer Buche enthalten. Daraus können wiederum hunderte Assoziationen entstehen und im Unterbewusstsein darauf lauern, im Bewusstsein zu erscheinen. 

Weltweit hat das Ähnlichkeitsprinzip seine kulturellen Spuren aus unseren Gehirnen hinterlassen. Im Duden stehen ähnliche Wörter untereinander. Straßen und Häuser sind untereinander irgendwie ähnlich. Ähnlich aussehende Menschen finden sich öfter zusammen als verschieden daherkommende usw. Kein Wunder, denn unser Gehirne haben erkannt, dass Ähnlichkeiten ihnen das Denken erleichtert.

 

Liegt es nicht für Neurowissenschaftler nahe, im Gehirn nach Äquivalenzen (Entsprechungen) für dieses fundamentale Phänomen zu suchen? Ich meine Ja. Doch wenn, dann geschah dies bisher nur unter dem Tisch. 

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Unverzichtbare Emotionen

Rück-Link mit rechter Maustaste - Die Herkunft der Anerkennung

Aus dem Titel - Wie wir denken und entscheiden

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Ähnlich erging es den Emotionen. Neuroforscher behandeln sie heute noch als wissenschaftliche »Stiefkinder« und verweigern ihnen die Anerkennung einer entscheidenden Rolle bei jedem Denkvorgang.

Tatsächlich aber spüren wir jedes unbekannte Objekt zunächst als unangenehme Emotion. Erst, wenn eine treffende Erinnerung dazu auftaucht, breitet sich Erleichterung aus. Besonders deutlich bei Mondlicht, wenn sich eine näherkommende Gestalt nur langsam aus der Dunkelheit schält. Oft entsteht dabei sogar Angst, denn die schwarze Gestalt kann uns monströse Bilder aus ähnlichen Horrorszenen vorgaukeln. Erst wenn der Mond das Gesicht von Markus erhellt, entspannt sich die Emotionslage.

·      Solange das Impulsfeuer aus den Sinneszentren noch keinen passenden Oszillator zum Schwingen gebracht hat, entsteht aus bisher ungeklärten Gründen das ungute Gefühl.

·      Wenn das Objekt im Mondlicht nicht identifiziert werden kann, beginnen mitunter andere, dem schwarzen Objekt ähnliche Oszillatoren zu schwingen. Das können auch Erinnerungen an Horrorgestalten sein, die Angst hervorrufen.

·      Erscheint dann aber das Gesicht von Marko erkennbar, schwingt der »Marko-Oszillator« auf, der jetzt sein Impulsfeuer auch an die Sinneszellen zurücksendet.

·      Beide Signale, also jenes aus den Sinneszellen und das aus dem Erinnerungs-Oszillator können sich gegenseitig synchronisieren, weil sie einander ähnlich sind. Mit den jetzt synchronen Schwingungen beginnt das angenehme Erkennungsgefühl.

·      Synchron schwingen beispielsweise die Schallwellen von zwei Geigen, die dasselbe Lied erklingen lassen. Spielt eine Geige falsch, schwingt also nicht synchron mit der anderen, so empfinden wir dies als äußerst unangenehm.

·      Wissenschaftler fanden mit EEG (Elektroenzephalografie) heraus, dass synchrone Schwingungen bei angenehmen Gefühlen überwiegen.

Ähnliches gilt für jede Entscheidung. Sie fällt erst, nachdem die Gesamtheit aller gefühlten Emotionen den angenehmsten Wert erreicht hat. Besonders spürbar, nachdem wir vor einer Entscheidung lange zaudern mussten.

Emotionen sind Gefühle wie Angst, Wut, Scham usw. Sie stammen aus chemischen Substanzen, die in den Emotionszentren des limbischen Systems entstehen und von dort aus ihre Wirkungen im Gehirn entfalten.

·      Das limbische System liegt im bestgeschützten Gehirnbereich, also mitten drin. Es gliedert sich in Einzelzentren, aus denen Nervenbündel mit dem Großhirn kommunizieren. In Diesen Zentren entstehen jene chemischen Substanzen, die unsere Emotionen hervorrufen.

·      Emotionen werden auf zwei Wegen übertragen. Einmal direkt, schnell und selektiv über die Nervenbündel, oder langsamer, generalisiert über das Gehirnwasser zum Beispiel bei einem Schock nach einem Auffahrunfall.

Wissenschaftler verurteilten das limbische System als störendes Überbleibsel aus der Reptilienzeit unserer Gehirne. In Wirklichkeit steuert es mit seinen Emotionen alle intellektuellen Denkvorgänge und verantwortet jede Entscheidung.

Zu diesem Sachverhalt stellte António Damásio vor der Jahrtausend-Wende seine »Theorie der somatischen Marker« auf. Dort postulierte er nach langen Versuchsreihen den unauflöslichen Zusammenhang zwischen Entscheidungen und Gefühlen.

 

Leider haben sich Neurowissenschaftler bisher kaum bemüht, diese Erkenntnisse mit neuen Forschungsergebnissen abzugleichen. Daraus hätten Sie die Theorie von António Damásio bestätigen können. Die Denkweise unserer Gehirne wäre heute längst allgemeines Erkenntnisgut.

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Lernen und erinnern im Nervennetzwerk

Rück-Link mit rechter Maustaste - Lernen und erinnern im Nervennetzwerk

Aus dem Titel - Wie wir denken und entscheiden

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Lernen ist ein Wechselspiel zwischen Emotionen und Assoziationen. Ein unbekanntes Objekt empfinden wir ebenso unangenehm wie ein noch nicht erkanntes, wir zweifeln. Dieses Gefühl bleibt solange bestehen, bis sich aus dem unbekannten Objekt eine Erinnerung gebildet hat. Oft sind ähnliche Objekte schon als Assoziationen aufgerufen, die zwar noch nicht zur emotionalen Entspannung führen, aber die neue Lerneinheit teilweise prägen. Erst die entstandene neue Erinnerung befreit uns von dem unangenehmen Gefühl des Zweifelns.

Neue Erinnerungen entstehen als Oszillatoren im Spannungsfeld von Assoziation und unbekannten Sinneseindrücken. Den Anstoß dazu aber bildet die Zweifelemotion. Physiologisch (Physikalische Vorgänge in lebenden Objekten) ist dieser Akt schwer vorstellbar. Doch darf ich Ihnen diese Vorgänge nicht vorenthalten.

Wenn Gehirnwissenschaftler die Schrift lesen, werden sie sich möglicherweise darüber beschweren, dass ich kein Wissenschaftler bin und somit auch meine Aussagen über funktionales Denken bezweifeln. – Ich bin jederzeit bereit, in einem öffentlichen Streitgespräch mit Gehirnwissenschaftlern meine Forschungen durchzusetzen.

Wenn Sie die nachfolgend beschriebenen physiologischen Vorgänge (physikalische Vorgänge in lebenden Organen) im Gehirn verstehen, werden Sie sich besonders freudig dem funktionellen Denken widmen können. – Wenn nicht, lassen Sie diesen Untertitel einfach beiseite

Sie werden auch auf anderen Denkbahnen das funktionelle Denken verinnerlichen. Dennoch haben Sie jederzeit die Möglichkeit, nach neuen Eindrücken hier noch einmal reinzuschauen.

Überspringen Sie ggf. bis zum Eintrag: Übersprung für physiologisch erklärte Gehirnfunktionen.   

·      Vorweg möchte ich Ihnen Neuronen und ihre Helfer anhand von Bild 1 etwas näherbringen. Neuronen sind Nervenzellen. Etwa 100 Milliarden von ihnen bilden die Haupt-Schaltstellen unseres Nervensystems. Sie erkennen Neuronen in Bild 1 als schwarze Dreiecke im Kreis. Nachdem ein Neuron über die gestrichelt dargestellten Dendriten (Nervenleitung im Unternetz) negativ aufgeladen worden ist, feuert es. Das heißt, es entlädt seine elektrische Ladung von etwa 100 Millivolt (Zum Vergleich: Zwischen den Polen unserer Steckdosen herrscht eine Spannung von 230 Volt = 230.000 Millivolt).  

-     Der daraus entstehende Stromstoß fließt über das Axon (Nervenleitung im Hauptnetz) zu etwa 10.000 Synapsen und lädt dort das wiederum folgende Neuron stärker oder schwächer auf,. Synapsen sind die intelligenten Schaltstellen in unserem Gehirn. Mit stärker oder schwächer können Synapsen ein Neuron dauernd feuern lassen, es aushungern oder es intelligent steuern.

-     Intelligent steuern können Synapsen auf mehrere Weisen.

1.    Indem sie die Botenstoffe für Emotionen auswerten oder nicht.

2.    Indem sie das nachfolgende Neuron immer stärker aufladen, je mehr einlaufende Impulse aus Axon-Ästen eintreffen. (Impuls ist ein nur für Millisekunden anstehende elektrische Spannung) 

3.    Indem sie das nachfolgende Neuron immer schwächer aufladen, je mehr einlaufende Impulse aus Axon-Ästen eintreffen.

-     Jedes Neuron im Gehirn wird aus den Unterschaltkreisen von etwa 10.000 Synapsen über Dendriten aufgeladen.

·      Wenn Sie sich das Geschehen im Gehirn aus den vorgeschriebenen Sätzen vorstellen können. Werden Sie auch die weiteren Sätze verstehen. Diese Sätze wiederholen teilweise die vorbeschriebenen Inhalte aus einem anderen Kontext heraus.

 

·      Schon im Jahre 1949 beobachtete Donald O. Hebb bei der Impulsmessung an lebenden, original vernetzten Neuronen (Nervenzellen) eine merkwürdige Systematik: Wenn das Feuern eines Neurons (A) häufig auch ein bestimmtes Neuron (B) feuern lässt, so steigert sich diese Abhängigkeit mit jedem neuen Feuerstoß von B. Steigern heißt hier, B feuert immer häufiger kurz nachdem A gefeuert hat. Es hat gelernt. Diese Hebbsche Lernregel wurde etwa 1970 bestätigt, nachdem die Lernfunktionen von Synapsen entdeckt wurden.

·      Etwa 100 Milliarden Neuronen im Gehirn fungieren als Aktionsträger des Nervennetzwerkes (Bild 1). Jedes Neuron hat nur eine Aufgabe, es muss zur richtigen Zeit einen elektrischen Stromstoß in das Netzwerk feuern. Einen Stromstoß, der dem elektrisch leitenden Axon folgt, sich in die Axonäste hinein verzweigt und am Ende auf bis zu 10.000 Synapsen trifft. Diese Synapsen leiten die jetzt tausendfach schwächeren Impulse weiter, modifizieren sie und laden damit das jeweils ihnen nachfolgende Neuron elektrisch auf, bis es nach etwa 1.000 Aufladungen aus den Synapsen selbst feuern muss.

·      Jede Synapse verändert bei jeder Impulsweiterleitung ihre Übertragungs-Stärke. Dies ist die eigentliche Lernfunktion. Wissenschaftler nennen diesen Effekt LTP (long-term-potentiation) oder Langzeit-Potenzierung, wenn die Verstärkung längere Zeit bis lebenslänglich bestehen bleibt. STP (short-term-potentiation), also Kurzzeit-Potenzierung, wenn die Verstärkung schnell eintritt, aber auch nur kurzzeitig für Sekunden oder Minuten bestehen bleibt.

·      Damit können sich Gehirnfunktion von fester »Verdrahtung« lösen. Schaltungswege für Erinnerungs-Oszillatoren aus Axonästen, Synapsen, Dendriten und wieder Neuronen sind im Ruhezustand nicht verfolgbar, denn Oszillatoren entstehen rein situationsbeding aus stark oder schwach weiterleitenden Synapsen, so wie sie von LTP eingestellt wurden. Rückkopplungen, wie sie für technische Oszillatoren notwendig sind, müssen etwa so bestehen wie sie als Selbstbefeuerung in Bild 1 gezeichnet sind.

·      Impulsfeuer aus den Sinneszentren kann sich nur entlang von Nervenfasern ausbreiten. Doch die Fasern liegen so dicht, dass man getrost von einem Feuerregen sprechen kann, der sich über das Netzwerk ergießt. Wenn genügend Neuronen aus getroffenen Synapsen eines Oszillatorgebildes zünden, dann sorgt STP für schnelles Aufschwingen des Oszillators. Danach kann die vorher ruhende Erinnerung ihre Botschaft in das schier unendliche anmutende Nervennetzwerk feuern.

·      Ein Impulsfeuer aus den Sinnesorganen wird viel öfter jene ruhenden Oszillatoren treffen, die nach dem Aufschwingen eine ähnliche Impulsstruktur abgeben. Schon erste Entladungen bleiben häufig durch Selbstbefeuerung innerhalb ihres Oszillatorgebildes und führen zu weiteren Neuronen-Entladungen mit dann verstärkten Synapsen. Bis schließlich der Oszillator zündet und seine volle Feuerkraft entfaltet.

·      Wenn noch kein Oszillator für den anstehenden Sinneseindruck vorhanden ist, stellt sich auch kein gutes Erkennungsgefühl ein. Die Zweifelemotion bleibt erhalten, und sorgt im Spannungsfeld zwischen Sinneszentren und aufgerufenen Assoziationen dafür dass ein neuer Erinnerungsoszillator entsteht. Und zwar mit derselben Systematik, wie die Zündung einer Erinnerung. Es dauert allerdings Sekunden oder deren Bruchteile länger. Denn die neue Oszillatorstruktur muss sich erst formieren.

·      Oszillatorschwingungen sowie deren Zünd- und Geburtsvorgänge wurden bisher nie direkt beobachtet. Doch wer die erforschte Physiologie des Gehirns kennt, seine eigenen Emotionen während des Denkens beobachtet und ein wenig Verständnis für Zufalls-Systematiken hinzufügt, kann sich dieses Modell vor seinem „geistigen Auge“ zusammensetzen.

·      Und wenn es dann noch so nahtlos die Systematik von Entscheidungsvorgängen und die emotionalen Regungen des Gehirns beschreibt, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass unsere Gehirne genau so funktionieren.

·      Sicher konnten Sie dieser Systematik nur schwer folgen. Schließlich greift sie in mehrere Fachgebiete ein und verlangt am Schluss eine weitreichende Vorstellung von Wahrscheinlichkeiten. Bei der Entwicklung musste ich die Systematik tausendfach gedanklich simulieren, bis alle Zweifel sich auflösten.

·      Selbst Gehirnwissenschaftler, denen ich die erwähnten kompletten Kurzfassungen aus »www.gehirnsabotage.de/quellennachweise/« mailte, entschuldigten sich teilweise wegen fehlender fachübergreifender Kenntnisse. Einwände konnte ich immer schnell entkräften. Aber gezweifelt, hat niemand am Oszillatorprinzip.

Sprung31 - Ende der physiologisch erklärten Gehirnfunktionen

Lernen ist verhältnismäßig leicht. Wenn wir uns jedoch an gelerntes erinnern wollen, gibt es oft Schwierigkeiten. Besonders dann, wenn die Lerneinheit klein war oder im Extremfall nur aus einem Namen bestand. Das einzige, was uns dabei helfen kann sind jene Objekte, die während des Lernens als Assoziationen aufgerufen waren.

Das können Objekte aus dem vorigen Denkvorgang, Gegenstände im Sichtfeld oder Hintergrundmusik sein. Die Erinnerung für diese Objekte ist meist mit dem gesuchten verbunden, sodass der »verdammte« Name als Assoziation unerwartet bewusst werden kann. Meist jedoch, ohne Verwendungsmöglichkeit, denn der Zeitgenosse, dessen Namen verzweifelt gesucht wurde, um ihn anzusprechen, ist längst weg. 

Unser Gehirn speichert Namen offenbar einzeln in anderen Gehirnregionen als Eigenschaften oder das Äußere von Personen. Wahrscheinlich in der Nähe des Hörzentrums. Und kleine Einzelelemente werden gern von großen Assoziationen überdeckt. Wer jedoch Vertreter oder Autoverkäufer beobachtet, stellt fest, dass sie öfter den Namen des Kunden aussprechen. Dabei schmeicheln sie nicht nur, sondern vernetzen seinen Namen mit vielen aufgerufenen Assoziationen in ihrem Gehirn. Ich kenne weder einen Vertreter noch einen Autoverkäufer, der sich Namen schwer merken kann.

Unser Gedächtnis verhält sich nämlich ähnlich einer Internet-Suchmaschine. Webseiten mit vielen Verknüpfungen zu anderen Seiten erscheinen nach einer Suchanfrage öfter als einsame Seiten. Verknüpfungen im Internet heißen Hyperlinks oder kürzer Links. So wird die Webseite von Amazon meist am Anfang der Ergebnisliste auftauchen, wenn Sie nach »Buch Payback« suchen. Denn dort wurden die meisten Exemplare davon verkauft. Wenn nicht kaufen Sie möglicherweise ihre Bücher bei Thalia oder woanders.

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Entscheidungen

Rück-Link mit rechter Maustaste - Entscheidungen

Aus dem Titel - Wie wir denken und entscheiden

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Denken beginnt immer mit zweifeln und endet mit einer Entscheidung. Zweifeln ist eine verdrießlich stimmende Emotion, die immer dann entsteht, wenn Assoziationen keinen Konsens mit dem anstehenden Problem finden. Wenn wir dann nach einer Lösung suchen, also denken, dann beginnt meist eine zunächst stressige emotionale Achterbahnfahrt. Was passiert hier?

Jede Erinnerung trägt jene Emotionen, die während ihrer Geburt unseren Gemütszustand prägten. Wer Jasmin riecht, erinnert sich vielleicht an einen unvergesslichen Frühlingsabend mit lieber Begleitung. Ein Ring könnte Gedanken an die eigene Hochzeit wecken.

Doch erkennen wir einen Menschen, der uns Unbill beschert hat, wallen hässliche Emotionen auf, sodass wir seine Nähe meiden. Wer einen Autounfall durchleben musste braucht nur am Ort des Geschehens vorbeizufahren oder irgendwie daran erinnert zu werden, so spult sich das Ereignis im Gehirn wieder ab einschließlich der dabei erlebten Schmerzen sowie der Schockemotionen. Mit wachsendem zeitlichen Abstand aber immer schwächer und seltener. 

·      Gedanken-Oszillatoren sind mit unterschiedlichen Gehirnregionen vernetzt. Immer aber mit dem limbischen System, das mit seinen Emotionszentren unser Befinden erzeugt. Die Geburt eines Oszillators wird so auch von den augenblicklich wirkenden Emotionszentren geprägt, sodass er beim Wiederaufschwingen neben den substantiellen Erinnerungen auch die damaligen Emotionen produziert.

Umgekehrt funktioniert es auch: Jede Erinnerung trägt nicht nur die besagten Emotionen, sondern wird wegen der augenblicklich anstehenden Emotionen öfter als Assoziation im Bewusstsein aufgerufen.

So schleudern Schreckemotionen bei einem plötzlich drohenden Angriff erfahrene Erlebnisse mit ähnlichen Emotionen ins Bewusstsein und unterdrücken dabei alle anderen Gedanken. Menschen können nicht mehr klar denken, sondern handeln so, wie sie es in ähnlichen Situationen taten oder so wie sie es aus Horrorfilmen oder entsprechenden Erzählungen verinnerlicht haben. Viele sagen dann: Er handelte Instinktiv oder Intuitiv.

Instinkte, so bin ich sicher, sind Märchen. Denn auch Schreckhandlungen verlaufen so, wie wir es erfahren haben. Ein unerfahrenes Kind fürchtet sich bei Blitz und Donner nur vor dem Unbekannten und handelt so wie immer in ähnlichen Angstsituationen. Es beginnt zu heulen und ruft nach der Mutter.

Die Zahl der Gene für unser Gehirn ist unverhältnismäßig klein, sodass solche Eventualanweisungen darüber nicht weitergegeben werden können. Eine Ausnahme bilden allerdings Reflexe, die auch unerfahrene Kinder vor einer heißen Herdplatte schützen. Denn solche Reflexe sind bereits im Nervensystem von Neugeborenen installiert. Sie funktionieren ohne Gehirnbeteiligung.

Bei einer emotionalen Achterbahnfahrt (denken) spüren wir gespeicherte Emotionen aller aufgerufenen Erinnerungen. Denn die Zweifelemotion ruft viele von ihnen zusätzlich in der Erwartung auf, darin Problemlösungen zu finden. Doch oft sind es Erinnerungen, deren Inhalt nicht zur Lösung beiträgt.

Deshalb scheuen die meisten Menschen das Denken, lassen Probleme schmoren, unterdrücken ihre Zweifel und treffen die erstbeste, oft falsche Entscheidung. Andere wiederum machen es sich leicht. Sie entscheiden so, wie es ihnen die Werbevideos aus dem Fernsehen vormachen.

·      Emotionen treten auf zwei Wegen an die Gedankenoszillatoren heran. Einmal über das Hirnwasser, dann erfassen sie alle Denkvorgänge. Meist jedoch über die Netzwerkverbindungen, dann spüren wir sie nur bei einer einzigen Erinnerung besonders intensiv. Allerdings wirken alle auch im Unterbewusstsein arbeitenden Assoziations-Oszillatoren mit ihren eigenen Emotionen auf das Befinden. So kann eine noch nicht im Bewusstsein auftauchende Assoziation zu einem Warngefühl führen. Oft spüren wir dies als Bauchgrimmen, ohne die Herkunft orten zu können.

·      Jede Emotion führt zu schneller schwingenden Oszillatoren. Deshalb tauchen emotionale Erinnerungen öfter im Bewusstsein auf. Die Zweifelemotion treibt alle Oszillatoren an, sodass mehr Assoziationen entstehen, um das anstehende Problem zu lösen.

Jede emotionale Achterbahnfahrt endet erst mit einer Entscheidung. Wenn aus den vielen Emotionslagen jene gefunden wird, die das höchste Wohlgefühl oder das kleinste Unwohlsein verursacht. Letzterem geht meist langes Grübeln voraus. Doch mit der Entscheidung stellt sich ein gutes Gefühl ein, das oft sogar in lang anhaltende Euphorie ausartet.

Wer nicht nur dieses Wohlgefühl empfand, sondern danach auch noch die gefundenen Problemlösungen erfolgreich ausführen durfte, begab sich in Suchgefahr. Einer Gefahr, der ganz sicher alle erfolgreichen Wissenschaftler zum Opfer gefallen sind. – Süchtig nach Erfolg.

Grübeln soll eine schlechte Angewohnheit sein. Doch wann sprechen wir von grübeln? Erst dann, wenn Emotionen und bewusste Erinnerungen mindestens zweimal denselben Punkt überschreiten. Das passiert recht selten in Gehirnen mit vielen Erinnerungen, öfter bei Gehirnen mit geringer Erinnerungsfracht für das anstehende Problem, oder bei Demenz und Alzheimer. Wer grübeln bewusst wahrnimmt, sollte innehalten und dem Gehirn externen Denkstoff zuführen.

Externer Denkstoff entsteht durch recherchieren im Internet, lesen eines entsprechenden Fachbuches oder durch kommunizieren mit Freunden und sonstigen Beratern. Danach weicht die Niedergeschlagenheit den neuen Ideen.

Das oft zitierte schlechte Gewissen ist ebenfalls eine Zweifelemotion. Allerdings offenbaren sich ihre Ursachen nur langsam. Warum, kann das folgende Beispiel klären.

Nehmen wir an, Sie sind Polizist und erwischen ihren älteren Bruder bei einem Einbruch. Ganz klar, sie müssen ihn festnehmen und anzeigen. Doch bevor Sie das tun, kommen Zweifel auf. Letztlich aber überwiegen die Gedanken an ihre Berufsehre und die ggf. wartende Disziplinarstrafe. Sie verhaften Ihren Bruder zögerlich mit miesen Gefühlen.

Erst später kommen Erinnerungen an gemeinsame Abenteuer. Daran, dass Ihr älterer Bruder ihnen oft aus der Patsche geholfen hat, was eine tiefe Verbundenheit entstehen ließ. All diese Erlebnisse lungerten schon Jahrzehnte in ihrem Gedächtnis und brauchten länger, um im Bewusstsein aufzutauchen. Aber die guten Gefühle für den Bruder waren kurz vor der Entscheidung schon da und degradierten die an sich enthusiastischen Emotionen bei einer Verhaftung zum schlechten Gewissen.

Zögern oder zaudern gilt heute jedoch als Schwäche. Deshalb unterdrücken viele Zeitgenossen ihre Zweifelemotionen, um schnelle Entscheidungen treffen zu können, denn Schnellentscheider sind als Pragmatiker gefragt. Allerdings unterdrücken sie damit auch ihr Gewissen, das u.a. Lügen verhindern kann. Auch kommen Gehirne bei komplexen Entscheidungen schnell an die Verarbeitungsgrenzen für bewusstseinspflichtige Informationen. Schnelle Entscheidungen sind dann entweder oberflächlich oder mit eingeengter Bandbreite produziert. Eingeengt bedeutet hier, dass kein Blick über den »Tellerrand« mehr möglich ist. Erzwungene schnelle Entscheidungen sind fast immer falsch.

Von den täglich etwa 20.000 Entscheidungen erleben wir nur wenige intensiv. Nur jene mit unsicherer Ausgangslage. Alle anderen bleiben entweder im Unterbewusstsein oder sind problemlos zu bewältigen. Dennoch benötigt jede einzelne Entscheidung immer die gute Gefühlslage aus den laufend im Gehirn aufgerufenen Assoziationen.

Wenn Sie morgens den rasselnden Wecker abstellen, entsteht die Entscheidung dazu automatisch als Gewohnheit. Wenn der Wecker aber heute am anderen Platz steht, schlägt ihr Gehirn Alarm. Ein Zeichen, dass auch hinter unterbewusst ablaufenden Entscheidungen die volle Gedankenkraft des Gehirns steht. 

 

Wenn zum Beispiel morgens ein Hemd auszusuchen ist und wir uns für das blauweiß gestreifte Lieblingshemd festlegt haben, kann es kurz vor dem Kleiderschrank passieren, dass plötzlich der Handlungsfluss mit einem unguten Gefühl stoppt. Erst nachträglich erscheint dann die verursachende Assoziation im Bewusstsein: „Das blauweiße Hemd hatte ich doch gestern zur Wäsche gegeben!“. Ärgerlich, aber schnell zu beheben. 

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Lästige Gewohnheiten entsorgen

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Aus dem Titel - Wie wir denken und entscheiden

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Gewohnheiten sind lebensnotwendig. Denn sie schenken unterbewusste Fähigkeiten wie laufen, sprechen, Radfahren, Autofahren und viele mehr. Häufig jedoch auch lästige Eigenarten. Darunter rauchen, schimpfen, Fragenabstinenz oder anderen laufend ins Wort fallen. Eigenarten, die den Kompetenzaufbau behindern und entsorgt werden sollten.

Im Internet finden Sie dazu zahlreiche Ratschläge. Geschätzt präsentieren sich dort etwa 2.000 Psychologen, Lebens- und Unternehmensberater. Meist geben sie auch Ratschläge zur Entsorgung störender Gewohnheiten. Immer jedoch mit entlastenden Hinweisen darauf, dass ohne Expertenunterstützung kaum befriedigende Ergebnisse zu erwarten sind.

Ob aber Expertenrat zu besseren Ergebnissen führt, lässt sich schwer ermessen. Kostspieliger ist er auf jeden Fall, denn die Entsorgung soll viel Geduld, Disziplin und eisernen Willen erfordern. Alles natürlich ohne Erfolgsgarantie.

Hinweise darüber, wie hartnäckig sich Gewohnheiten der Entsorgung widersetzen, fand ich dort nicht. Doch Gewohnheiten sind auch Erinnerungen, deshalb werden sie sich mit wachsendem Emotionsgehalt stärker gegen Änderungen sträuben.

Gewohnheiten wie aufstehen, Hemd auswählen, frühstücken und dergleichen entstanden emotionsarm durch Wiederholungen. Sie lassen sich verhältnismäßig schnell anpassen, denn Änderungen werden vornehmlich durch äußere Einflüsse erforderlich wie neue Möbel, Umzüge und dergleichen. Ähnlich verhalten sich mühelos eingeübte Fertigkeiten oder Fachkenntnisse. Entstanden sie aber aufwendig oder widerstrebend unter Frust, widersetzen sie sich stärker.

Schwer entsorgbar sind Gewohnheiten aus traumatischen Erfahrungen oder aus sozialen Kontakten. Denn sie enthalten starke Emotionen. Und besonders beharrlich erweisen sich Eigenarten, die von Vorbildern oder zur Abwehr von Angriffen übernommen wurden (Ängste). Mehr dazu in »Gefährliche Vorbilder«.  

Viele Internet-Anbieter schmücken sich mit den »neuesten« neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Meist aber ist es nur eine. So soll jede Gewohnheit mit einem Reiz beginnen und einer Belohnung enden. ‒ Eine hundert Jahre alte Weisheit, die keine funktionalen Einsichten erlaubt. Neuroforscher tappen im Dunkeln.

Aber das grob vorgestellte Oszillatorprinzip ließ in »Entscheidungen« mehr erkennen. So folgen unsere Entscheidungen immer den schönen Emotionen und stocken mit unschönen Gefühlen, mit Zweifeln. Dies gilt es zu nutzen.

Doch wenn das mitunter nur schwach ausgeprägte gute Gefühl zur Entscheidung eintritt, ist es zu spät. Die Gewohnheit läuft automatisch ab. Also müssen wir vorher etwas tun, und zwar zwischen auslösender Situation und beginnender Handlung. Dazu brauchen wir eine Gegengewohnheit, die auf dieselben Reize anspricht, aber etwas anderes will. Ich habe es getestet. Und zwar mit einer emotionsfreien Gewohnheit, die nur leicht abzuwandeln war. Schwierig, weil sie sich nur leicht, also kaum merklich ändern durfte.

So sollte von zwei obligatorischen Süßstofftabletten für eine große Kaffeetasse nur eine übrig bleiben. Der Entschluss dafür war schnell gefasst. Oft aber landeten ungewollt zwei Tabletten im Kaffee, worüber ich mich bewusst ärgerte, um die neue Gewohnheit zu stärken. Gleichgültigkeit hätte die alte Gewohnheit gestärkt, denn sie war ja erfolgreich. Nach zwei Tagen funktionierte es beinahe. 

Doch nur beinahe, denn wenn Problemgedanken ablenkten, klickte ich unbewusst immer noch zwei Mal auf den Süßstoffbehälter. Eine Woche später spürte ich dann ein aufschlussreiches Ereignis. Nach dem ersten Klick und dem schon eingeleiteten zweiten stockte der Daumen scheinbar eigenmächtig. Die Zweifelemotion riss mich aus den düsteren Gedanken. Jetzt war die Gegengewohnheit selbst bei intensiver Ablenkung stark genug. Nach etwa einem Monat verschwand auch dieses Phänomen. Jede große Kaffeetasse erhält heute automatisch nur eine Süßstofftablette.

Die Hypothese hatte sich bewahrheitet. Aus der erstarkenden Gegengewohnheit war eine neue entstanden, die sogar bei intensiver Ablenkung funktionierte. Vielleicht wäre es leichter gewesen, wenn mit dem Entschluss zur Umstellung eine neue Anrichte oder anderes Geschirr gekommen wäre. Auch Psychologen empfehlen, schwere Entwöhnungen mit Lebensumstellungen zu unterstützen. »Rauchen aufgeben« wäre dafür eine passende Aufgabe.

Welche Gewohnheiten auch immer entsorgt werden sollen, die vorbeschriebene Systematik trifft alle. Der Angriff muss kurz vor der Gewohnheitshandlung unterbewusst erfolgen. Treffende Motive zum Entschluss erleichtern die emotionalen Auseinandersetzungen mit dem Entwöhnungsgegenstand.

Schwierigkeiten treten bei Eigenarten auf, die von Vorbildern stammen. So wie Onkel Erwin die Mittelpunktallüren von Thomas auslöste. Zu lesen im Thema »Gefährliche Vorbilder«. Oft tritt dabei aber das Vorbild selbst ins Bewusstsein. Wenn nicht, müssen Sie das Vorbild in Ihrer Vergangenheit suchen.

Ist das Vorbild bekannt, können Sie es gedanklich zerstören. Dazu brauchen Sie sich nur seine Schattenseiten verinnerlichen. Bei Onkel Erwin etwa so: »sprengt jede Gesprächsrunde mit dominantem Auftreten, fällt anderen dauernd ins Wort, lässt keine abweichende Meinung gelten, verlässt sofort den Schauplatz wenn er nicht mehr im Mittelpunkt steht. Kein nachahmenswerter Charakter«. Das sollte reichen, um seine Präsenz im Gehirn nachhaltig zu schädigen.

Besonders hartnäckig sind Gewohnheiten aus sozialen Ereignissen, die lange eingewirkt haben. Dazu gehört Betroffenheit. Sie entsteht meist aus Demütigungen durch hänseln, drangsalieren, mobben oder gar körperlichen Angriffen. Wenn eine solche Gewohnheit ausgereift ist, reicht oft schon ein Brief vom Finanzamt oder eine zwielichtige Aussage in der Projektbesprechung, aus der man sich schlimmste persönliche Folgen ausmalt.

Danach schwillt binnen Sekunden im Kopf eine stresshafte Gedankenlawine heran, die in eine Schocksituation einmündet. Denken ist dann kaum noch möglich, sondern nur mechanisches Handeln. Der Schock kann einen ganzen Tag lang oder länger anhalten und die Leistungsfähigkeit untergraben.

Auch hier hilft nur, die Brisanz der Botschaft mit einer Gegengewohnheit frühzeitig zu erkennen und sich selbst zu beruhigen. Es bleiben maximal fünf Sekunden Zeit für die Einsicht, dass mit Aufregung wirklich nichts, aber auch gar nichts zum Besseren bewegt wird. Rückfälle sind unvermeidlich, sollten aber konstruktiv mit nachträglich gedanklicher Verstärkung der Gegengewohnheit genutzt werden. ‒ Überschäumende Betroffenheit kann ganze Karrieren zerstören. Deshalb lohnen sich hier auch größere Anstrengungen.

„Woher bitte“, könnten Sie jetzt skeptisch fragen, „kennen Sie so genau die notwendige Reaktionszeit von maximal fünf Sekunden?“. ‒ Nun, ich war selbst betroffen und brauchte mehrere Anläufe zur Bewältigung. Auch später begann die Betroffenheit wieder in einer schwierigen Lebenssituation. Aber die beschriebene Methode half zuverlässig.

Doch jene scheinbar kompetenzfeindliche Betroffenheit darf nicht ganz verschwinden. Schließlich ist sie der Motor für viele Kompetenz-Initiativen nach Fehlern. Also die Motivation für den notwendigen Fortschritt Ihrer Kompetenz. Menschen ohne fühlbare Betroffenheit versinken mit ihrer Selbstgefälligkeit in hochgradige Inkompetenz. Mehr dazu finden Sie im Untertitel »Soziale Kompetenzen und Lügen«.

 

Zuletzt eine Warnung: Apokalyptische Gewohnheiten wie Kampftrinken, Drogenexzesse, oder gar Selbstmordneigungen folgen denselben Prinzipien. So gesehen, gelten auch dieselben Regeln für ihre Entsorgung. Doch bitte niemals ohne Expertenrat.

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Essenz und Ausblick

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Aus dem Titel - Wie wir denken und entscheiden

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Alle in diesem Titel aufgeführten Erkenntnisse über das Gehirn stimmen mit erlebbaren Gefühlen überein. Die eingerückt geschriebenen physiologischen Abläufe verletzen keine sicheren Ergebnisse der Neuroforschung. Sämtliche daraus abgeleiteten Einsichten zu den sozialen Phänomenen sind auch ohne Oszillatorprinzip einsichtig.

Unsere Entscheidungen sind zweifelsfrei emotional. Sogenannte rationale Entscheidungen gibt es nicht, obwohl Journalisten sie gern den aufgebrachten Politikern nahelegen.

Natürlich kann jede Entscheidung bei Bedarf mit rationalen Mitteln, also Statistiken, Berechnungen usw. hinterlegt werden. Die Notwendigkeit dafür entsteht jedoch wiederum emotional durch zweifeln, wenn keine akzeptable Problemlösung im Gehirn auftaucht. 

Sogar Ergebnisse von Rechenoperationen werden emotional entschieden. Datenverarbeitende Netzwerke, wie sie von Gehirnwissenschaftlern immer wieder postuliert werden gibt es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Gehirn.

Schließlich wurden noch nicht einmal in den Gehirnen von Mäusen brauchbare Schaltungen gefunden, die auf rationales denken hinweisen. Und die Strukturen von Mäusegehirnen sind jenen im Menschengehirn ziemlich ähnlich. Eine andersartige Denkfähigkeit im menschlichen Gehirn hätte völlig andere anatomische Strukturen entwickeln müssen. 

Höhere Intelligenz gegenüber den Tieren entsteht deshalb nur aus Körpermerkmalen. Also aus mehr Lernzeit und mehr Speichervolumen für das Gehirn. Dazu Trainingsmöglichkeiten mit freien Händen sowie sprachlicher Kommunikation.

 

Wahrscheinlich werden Sie zu Ihrem Gehirn jetzt mehr emotionalen und gedanklichen Zugang gewinnen. Unterstützen Sie diesen Glücksfall, beobachten Sie Ihre Denkemotionen und Ihre Erinnerungen, denn Ihr Gehirn lässt Sie all seine Regungen emotional spüren. Mit der Zeit werden Sie immer mehr verborgenen Erinnerungen Ihres Gehirns verstehen und daraus Kompetenzen gewinnen.

Sprung Kommentar

Inhaltsverzeichnis

Thema der vorigen Seite -  Von der Anerkennung

Thema der folgenden Seite - Ausverkauf der Kompetenzen

Themen dieser Seite - Wie wir denken und entscheiden

Ähnlichkeiten und Assoziationen führen zum Lernen

Unverzichtbare Emotionen

Lernen und erinnern im Nervennetzwerk

Entscheidungen

Lästige Gewohnheiten entsorgen

Essenz und Ausblick

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Hans-J. Schubert (Mittwoch, 03 Juli 2019 12:14)

    Demo-Kommentar
    Sprung Kommentar: Was bedeutet dies. Ist es der Zielpunkt, wenn ich einen Kommentar aus einem Untertitel schreiben will? (hj = ja)