Chancen für die Soziologie

Aus der Serie:  Soziale Reflexionen unserer Gehirne

Auch Denkgrundlagen für Sozialwissenschaften sind empirisch gewonnen. Sie bestehen ebenso größtenteils aus Paradigmen. Bisherige Versuche, diese Denkgrundlagen zu bündeln, um ihnen aus einer gemeinsamen Basis heraus mehr Erkenntnisse abzuringen, zeigten noch keine zufriedenstellenden Ergebnisse.

Mit dem Oszillatorprinzip gelingt diese Bündelung auf Anhieb. Motivationen, Entwicklungslinien sowie die daraus entstehenden sozialen Strömungen lassen sich direkt aus den Gehirnfunktionen ableiten. Als Denkbrücken erschließen die hier beschriebenen sozialen Phänomene gerade in der Soziologie zahlreiche Anwendungen.

Beispielsweise ähneln Erkenntnisse aus dem Phänomen Attraktivität recht intensiv der von Pierre Bourdieu erkannten sozialen Habitus-Barriere gegen aufstiegswillige Zeitgenossen. Sie erschwert jeden Zugang zu Gruppen mit anderem Habitus, eine aktiv wirkende Erfolgs-Barriere.

Das Oszillatorprinzip erweitert diese Barriere durch passive Betrachtungsweisen. Menschen erliegen gern der Attraktivität von Anderen, von Gruppen, Institution usw. Damit übernehmen sie beinahe zwangsweise deren Ansichten, Gewohnheiten und Denkweisen. Besonders Kinder prägen damit ihr ganzes Leben einschließlich ihrer individuellen Intelligenz. Vielfach passen nämlich die übernommenen Eigenarten nicht zu ihrem eigenen Habitus, denn die meisten Vorbilder sind hochgradig anerkannte und damit oft attraktive Mitbürger. Die so entstehende Kluft zwischen Eigenheiten und Habitus provoziert fehlende Authentizität. Erfolgsruinen sind damit vorprogrammiert. Sie führen entweder zu stiller Resignation oder zu ganz und gar zerrissenen Persönlichkeiten mit starkem kriminellem Potential. – Jeder Jugendliche und jeder Erwachsene unterliegt diesen Einflüssen mehr oder weniger, positiv oder negativ.

Obwohl Eltern meist sehr ähnlichen Habitus ausstrahlen, werden sie von Heranwachsenden heute kaum noch als Vorbilder akzeptiert. Besonders dann, wenn sie sozialen Aufstieg anstreben oder dazu gedrängt werden. (Siehe auch Soziale Phänomene).

Auch die beschriebene passiv wirkende Erfolgsbarriere lässt sich direkt aus dem Ähnlichkeitsprinzip unserer Gehirne ableiten, obwohl sie auch aus Verhaltensmustern heraus begreifbar ist. Das Oszillatorprinzip nennt sie »soziale Erfolgs-Sabotage«. Sie wirkt unterschwellig und damit wesentlich nachhaltiger als die aktiv wirkende Habitus-Barriere.

Alle Medien fördern diesen passiven Erfolgsraub und beschleunigen ihn mit der allgegenwärtigen Informationsflut. So gesehen hat Manfred Spitzer mit der »Digitalen Demenz« bedingt recht. Doch es reicht bei weitem nicht, Medienkonsum unterbinden zu wollen. Denn erstens gelingt dies nur selten und zweitens: Wenn es gelingt, unterbindet man damit gleichzeitig viele »Tore« zur sozialen Persönlichkeitsbildung.

Um das »Übel bei der Wurzel zu packen« ist Aufklärung notwendig. Aufklärung zu den eigenen Gehirnfunktionen. Dies gilt nicht nur für alle Wissenschaftler mit fachlichen Berührungsflächen zur Gesellschaft, sondern auch für Lehrer, Schulbehörden, Schulbuchverlage sowie besonders für Eltern. Und selbstverständlich auch für alle Betroffenen, nämlich die Kinder selbst. Natürlich nur, soweit sie diese Einsichten schon aufnehmen können.

Bisher waren alle Mühen vergebens, soziale Ungleichheiten unserer Gesellschaft auszuräumen. In der Grafik »Monatliches Netto-Einkommen in Deutschland 2011« stehen die Werte des Einkommens-Vergleichsrechners hinter diesem Link in linearer Prozent- und Euro-Darstellung. Damit wird der immer noch viel zu steile Anstieg der Einkommens-verteilung deutlich. Unterschiede über 1.000 Prozent sind in einer demokratischen Gesellschaft dauerhaft nicht hinnehmbar.

Doch zukünftig scheint es noch schlimmer zu kommen. Einkommensunterschiede wachsen offenbar laufend, (Einkommensschere) wie die Grafik »Einkommen: Die untere Hälfte abgehängt« zeigt.

Einfach erscheinende Auswege wie überhöhte Sockellohnforderungen oder gar Reichensteuer verstärken über globale Geldflussmechanismen wiederum die Arbeitslosigkeit. Sicher weniger in Deutschland, denn wir wurden bereits mit Hartz IV reformiert und erleiden deshalb eher den sozialen Abstieg mit minderwertigerer Arbeit.  

Ein Teufelskreis, der bisher von fast allen Regierungen nur verwaltet wurde. Und zwar mit organisierter Ratlosigkeit. Nachhaltige Abhilfe bringt ausschließlich die vorbeschriebene Aufklärung zum eigenverantwortlichen Denken.

Dies schulden wir letztlich auch unseren Kindern, um ihre Hoffnungen auf sozialen Aufstieg nicht zu zertreten. Lassen wir sie nicht im Stich.

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