3. Erfolgswidrige Gewohnheiten von falschen Vorbildern

Aus der Serie: Warum wir unser Denken begreifen müssen

Schulversagen, Erfolgslosigkeit und Kriminalität entstehen aus falschen Entscheidungen. Diese wiederum werden von erfolgswidrigen Gewohnheiten und Denkweisen moderiert. Die gefährlichsten unter ihnen wurzeln unerkannt in falschen Vorbildern.  > Zur Kurzfassung

Schon Konfuzius erkannte vor etwa 2.500 Jahren, dass es drei Möglichkeiten gibt, klug zu handeln.

1.    Durch nachahmen – das ist die leichteste.

2.    Durch nachdenken – das ist die edelste.

3.    Durch Erfahrungen – das ist die bitterste.

Wenn jedoch Vorbilder (1) versagen, wird es schwer. Denn alle notwendigen Erfahrungen zu sammeln, dauert oft Jahrzehnte (3). Danach werden Karrierechancen rar. Bleibt nur noch nachdenken (2). – Aber wie und worüber?

Psychologen oder Neurowissenschaftlicher können auch kaum helfen, denn ihre Erkenntnisse reichen nicht viel weiter als jene von Konfuzius. Eigentlich kein Wunder, denn Gehirnwissenschaftler kennen bis heute keine ganzheitlichen Gehirnfunktionen, wissen also nicht wie unsere Gehirne lernen, erinnern, denken und entscheiden.

Erst die Einsicht, dass alles Denken emotional abläuft und dennoch in der Lage ist, alle vermeintlich rationalen Einsichten zu formen, führte zu plausiblen ganzheitlichen Erkenntnissen über das Gehirn. Das aus einer wissenschaftlichen Privatinitiative entstandene Oszillatorprinzip erklärt sämtliche spürbaren Gehirnregungen physiologisch. So entstanden erstmalig auch nachvollziehbare methodische Einblicke in die soziale Dynamik zwischen Vorbildgebern und Vorbildnehmern.

Danach müssen wir zuerst mit dem Irrglauben brechen, dass die Suche nach Vorbildern aus einem diffusen menschlichen Urbedürfnis heraus entsteht, wie Margarete Mitscherlich ganz sicher nicht allein glaubte. Nein – das Bedürfnis nach Vorbildern entsteht ausschließlich aus Zweifeln, aus Unsicherheiten. Zweifel, wie sie besonders Kinder ihrer rätselhaften Welt entgegenbringen.

Der Hahn im Korb

In frühen Kinderjahren genossen allein die Eltern unsere uneingeschränkte Anerkennung. Schließlich erfüllten Sie fast alle Wünsche. Bereits ihr Anblick durchflutete uns mit einem Feuerwerk wohltuender Emotionen.

Doch dann kommt Onkel Erwin anlässlich einer Familienfeier zu Besuch. Onkel Erwin ist der heimliche Hahn im Korb des Familienklans. Schon zur Begrüßung klopfen ihm alle freundlich auf die Schulter. Über seine Witze lacht ausnahmslos jeder. Offenbar kann er sich wirklich alles erlauben.

Onkel Erwin steht also viel intensiver im Mittelpunkt, als sonst die Eltern. Kein Wunder, wenn wir für ihn mehr als ähnlich enthusiastische Gefühle entwickeln. Damit öffnen wir uns vollständig für Onkel Erwin und entscheiden noch am selben Tag − genauso zu werden wie er.

Schon früh im Leben spüren wir, dass Anerkennung oder gar Zuneigung von anderen Menschen notwendig ist, um eigene Handlungsfreiheiten wünschenswert zu erweitern. Onkel Erwin verkörpert diese Anerkennung ultimativ. Ähnlichkeiten zwischen seinem Verhalten und den gewünschten sozialen Freiheiten wecken die entsprechenden »Assoziationen« aus dem Gedächtnis.

Der Begriff »Assoziationen« stammt aus der Psychologie. Er bezeichnet Erinnerungen, die unsere Gehirne automatisch zusätzlich aufrufen, um einem erkannten Objekt seine Bedeutung zu verleihen. Aus dem Verhalten von Onkel Erwin erkennen wir über solche Assoziationen viele der gewünschten eigenen sozialen Freiheiten.

Dieses aufregende Erlebnis spiegelt sich gedanklich in Tagträumen sowie in allen ähnlichen Situationen. Und davon gibt es zahlreiche, ist doch der Wunsch nach mehr sozialen Freiheiten beinahe allgegenwärtig. Entscheidungen für gefühlt wirksame Handlungsweisen entsprechen fortan dem bei Onkel Erwin beobachteten Verhalten, auch wenn sie nicht unmittelbar erfolgreich abschließen. Bald sind Entscheidungen nicht mehr spürbar, denn alle diesbezüglichen Handlungen folgen scheinbar automatisch dem neuen Vorbild.

Was bitte ist geschehen? − Aus Tagträumen, ähnlichen Situationen und Handlungserfolgen wachsen alle Erinnerungen um Onkel Erwin herum zu einem emotionsgeladenen »Gewohnheitscluster« heran. Dieser besteht aus einer Ansammlung von miteinander gekoppelten ähnlichen Erinnerungen und verstärkt sich mit jedem Aufruf gem. den erforschten Lernfunktionen von Synapsen.

Dieser Gewohnheitscluster taucht in jeder ähnlichen Situation bewusst oder unbewusst als Assoziation auf. Er lenkt mit einem guten Gefühl jede anstehende Entscheidung in seine Richtung. Und das umso intensiver, je mehr Emotionen das Schlüsselerlebnis prägten. Er kann eine oder mehrere neue Gewohnheiten enthalten.

So ein Gewohnheitscluster besteht physiologisch aus Erinnerungs-Oszillatoren. Das sind schwingfähige Gebilde, die aus tausenden, miteinander virtuell verbundenen feuerbereiten Neuronen (Nervenzellen im Gehirn) bestehen. Jeder Oszillator trägt seine einzigartige Erinnerung, deren Inhalt als rhythmischer Impulsschwarm das gesamte Gehirn durchflutet, wenn all seine Neuronen schnell feuern. – Feuern heißt, einen elektrischen Impuls abgeben.

Doch enthält jeder Gedanke auch Emotionen, die den Gefühlszustand während der Geburt einer Erinnerung (lernen) wieder auslösen. Sie werden verstärkt durch die Art, wie alle aufgerufenen Erinnerungs-Oszillatoren miteinander schwingen. Schwingen sie synchron, also im Takt, dann entstehen zusätzlich positive Emotionen als Zeichen dafür, dass sie zusammenpassen, eine Lösung repräsentieren. Taktlose, asynchrone Schwingungen erzeugen negative Gefühle als Signal für Chaos oder offene Probleme.

Gewohnheitscluster veranlassen dieses gute Gefühl, solange wir ihren Inhalten folgen, die Oszillatoren also synchron schwingen. Jede Störung, jede Abweichung provoziert Stress. – Wer sich täglich gewohnheitsmäßig zur Tagesschau in den Sessel setzt, empfindet gerade dann einen Telefonanruf besonders stresshaft.

Auch Musik erzeugt ein angenehmes Gefühl, wenn alle mitwirkenden Elemente taktgetreu in richtiger Tonhöhe arbeiten. Die so entstehenden synchronen Schallwellen setzen sich im Gehirn als synchrone Oszillatorschwingungen fort. Kein Wunder, dass Musik zu den stärksten Wohlfühlelementen unseres Lebens zählt.

Vorbilder und Idole von 6-13-jährigen Kindern
Vorbilder und Idole von 6-13-jährigen Kindern


Die Grafik aus der KIM-Studie 2008 zeigt genannte Vorbildfraktionen 6 bis 13-jähriger Kinder. Das private Umfeld kommt schon hier sehr kurz. Politiker sind natürlich noch nicht vertreten. Mehrfachbelegungen sowie vergessene verschwiegene oder unterschwellige Vorbilder fehlen. Geschätzt dürften 13-jährige bereits Gewohnheiten aus 5 bis 15 Vorbildern angehäuft haben.

Erwachsene suchen sich aus Vorbildern mit wachsender Reife gefühlt passende Gewohnheiten heraus, um sie zu übernehmen. Ansonsten verbergen sie ihre Vorbilder gern, denn kollektive Verehrung ist wegen der jüngsten deutschen Geschichte kaum noch gesellschaftsfähig. Dennoch besteht das Verlangen danach, wie Fanclubs und Events immer wieder offenlegen.

Vorbilder mutieren zu Erfolgsräubern

Gewohnheiten können erfolgsfördernd oder auch erfolgsfeindlich sein. Feindlich entwickeln sie sich hauptsächlich dann, wenn der Vorbildgeber gegenüber dem Vorbildnehmer attraktiver daherkommt. Äußerlich attraktiv wirken große, starke, schöne oder Sexappeal ausstrahlende Menschen. Aber auch, wenn sie nur weit sichtbar außerordentliche Anerkennung genießen (groß und stark gilt nur für männliche Vorbilder).

Solche Zeitgenossen verkehren oft in illustren Kreisen. Sie werden kaum daran denken, weniger attraktive Mitmenschen in ihre Gemeinschaft aufzunehmen, geschweige denn, sie als Vorbilder auszuwählen. Schließlich haben attraktive »Täter« ein Leben lang ihre weniger attraktiven »Opfer« beeinflusst oder gar drangsaliert, sich immer wieder deren Minderwertigkeit suggeriert. − Ihre Gewohnheiten lassen sich deshalb nicht schadlos auf weniger attraktivere Personen übertragen.

Stellen wir uns beispielsweise einen blassen schmächtigen Jüngling mit den Allüren eines sportlich attraktiven Aufschneiders vor. Eltern und enge Freunde werden diese Eigenarten sicher lange tolerieren, doch neue Lebensgemeinschaften niemals.

Noch viel erfolgswidriger wirken reine Denkgewohnheiten, denn sie offenbaren sich nicht als sichtbare Eigenschaften. So kokettieren attraktive Zeitgenossen gern mit scheinbaren Unzulänglichkeiten wie: „Von Mathematik habe ich keine Ahnung und ich bin froh darüber“ (besonders in Deutschland häufig). Für Kinder eine tiefgreifende Zäsur, die ihnen den ganzen Matheunterricht verderben kann, zu schlechten Noten führt und damit oft das Erfolgsleben gründlich ruiniert.

Das waren nur zwei Beispiele, ihnen könnten tausende folgen, denn in unseren Gehirnen wimmeln Gewohnheiten als Andenken an aktuelle sowie verflossene Vorbilder. Damit beeinflussen Vorbilder meist völlig unerkannt viele Verhaltensmuster. Darunter Sozialverhalten, Karrierewünsche, Partnerwahl, Berufswahl, Sportneigungen, Stimmungen, Intelligenzentwicklungen sowie Lernmotivationen für bestimmte Fächer oder die gesamte Schule. − Kurz, sie diktieren beinahe das ganze Leben.

Doch wer jetzt glaubt, ohne äußere Attraktivität nur winzige Karrierechancen zu haben, irrt sich gewaltig. Attraktive Menschen kennen oft nur einen Lebensinhalt, dem sie alles unterordnen. Nämlich: andere Menschen beeinflussen, um damit Anerkennung in den eigenen Kreisen zu finden. Kein Wunder, wenn sie Mitgefühl und Kompetenz häufig nur noch simulieren können. – Und genau dort kann jeder für sich punkten.

Auch diese lebensbestimmende, nur allzu plausible Abhängigkeit von gewohnheitsbildenden attraktiven Vorbildern wurde bisher in wissenschaftlichen Berichten kaum erwähnt. Schließlich entsteht so Charakter, einer der wichtigsten sozialen Lebenselemente überhaupt. − Deshalb sind Ratschläge zur Gewohnheitsbehandlung recht vorsichtig zu genießen, wenn sie nicht aus einer Gedankenquelle stammen, die das Gehirn ganzheitlich betrachtet.

So entwickeln sich zahlreiche Vorbilder ungewollt zu Erfolgsräubern. Eine »Seuche«, die heute mit intensivem Medienkonsum fast die gesamte Bevölkerung durchdringt. Jeder kann davon befallen sein, ohne es wahrzunehmen. Sie verantwortet dominierend Orientierungslosigkeit, Schulversagen, Erfolgslosigkeit sowie auch Kriminalität.

Doch schon diese aufklärende Warnung wird Ihre Aufmerksamkeit stärken. Sie zukünftig skeptisch reagieren lassen, wenn Medienstars oder andere attraktive Vorbilder sich im Gehirn gedanklich einnisten. Sorgen Sie dafür, dass diese Skepsis zur Gewohnheit wird. Daraus erwächst eine realere Sicht auf attraktive Zeitgenossen. Medienkonsum tritt dann automatisch in den Hintergrund.

Der nächste Titel zeigt, wie Sie mit geringem Aufwand erfolgswidrige Gewohnheiten entsorgen können.

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Eine Erfolgs- und Beziehungsfalle, die leider viel zu wenig Beachtung findet.

Posted by Hans-Joachim Schubert on Dienstag, 12. Januar 2016

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Kommentare: 1
  • #1

    Arwid Erben (Dienstag, 21 Juli 2015 08:17)

    Unglaublich. Das bedeutet ja, dass meine besten Freunde mir den Erfolg verderben können, wenn ich nicht aufpasse.