5.  Die Geburt einer Erinnerung

Aus der Serie: Oszillatoren entschlüsseln das Gehirn

Dass unser Gehirn lernt, wenn Gedanken-Oszillatoren entstehen, haben wir bereits im letzten Beitrag erfahren. Doch wie kommen ganze Neuronenschwärme dazu, sich als feuernde Oszillatoren zusammenzurotten, um stabile Schwingungen im Gehirn zu erzeugen?

Zum Link auf dem Bild: Fast alle Elemente dieser Frage finden sich im Artikel von »scinexx« wieder. Wer jedoch nur gelegentlich Beiträge zum Gehirn liest, wird nur mühsam den Inhalt verstehen. Oszillatoren erleichtern nicht nur das Verständnis, sondern führen zu praxisnahen Erkenntnissen.

Begonnen hat es 1949 mit den heute noch gültigen Einsichten von Donald O. Hebb. Er prägte die sogenannte »hebbsche Lernregel«: Je häufiger ein Neuron (Nervenzelle) A gleichzeitig mit Neuron B aktiv ist, umso bevorzugter werden beide Neuronen aufeinander reagieren.

Das war noch sehr abstrakt. Doch heute kennen wir »Synapsen«. Sie verbinden jedes einzelne Neuron mit tausend weiteren Neuronen über feinste Fasern. Diese Synapsen bestätigen in Experimenten genau die hebbsche Regel. Jeder durchlaufende elektrische Impuls verstärkt ihre Wirksamkeit, sodass der folgende Impuls das nachgeschaltete Neuron intensiver auflädt, bis es dann endlich feuert – seine aufgestaute elektrische Energie entlädt.

Das Dauerfeuer der Musik von »Yesterday« (siehe Beitrag 4) aus dem Hörzentrum trifft zunächst wenig kontrolliert alle Synapsen irgendwie und führt damit zu einzelnen Entladungen von Neuronen. Aber so, wie verstreute »Glasperlen« auf dem Teppich sich zufällig irgendwo häufen, entstehen Zentren mit dichter feuernden Neuronen. Auch sie senden an ihre jeweils etwa tausend Synapsen Impulse. Und wenn jetzt mehrere Impulse über Umwege wieder das eigene Zentrum treffen, dann verstärkt sich die Wirkung der Synapsen weiter. Diese Neuronen feuern jetzt schneller, verstärken abermals jene Synapsen. Und zwar solange, bis eine Kettenreaktion einsetzt, die alle beteiligten Neuronen erfasst und sich selbst unentwegt befeuert. – Die Geburt eines neuen Oszillators, einer Erinnerung.

Natürlich erhalten die »Glasperlen« Nachhilfeunterricht. Feuerzentren bilden sich nicht nur rein zufällig, sondern in aufnahmefähigen Strukturen des Gehirns und vornehmlich dort, wo Begleitoszillatoren bereits feuern. Wie bei »Yesterday« der Oszillator für den bekannten Rhythmus, den Lichteindruck und ganz besonders der für den Tanzpartner. Deshalb spricht der entstandene Gedanken-Oszillator auch auf alle Begleitereignisse an. Und zwar nach dem Ähnlichkeitsprinzip. Er beginnt bereits beim Anblick des Tanzpartners wieder zu feuern. 

Zum Bild: Der Link führt hier nur zu einem größeren Bild. Es zeigt einen einfachen Neuronen-Oszillator (Gedanken-Oszillator) schematisch. Dort, wo der Zündimpuls (Aktionspotenzial) das Neuron verlässt, beginnt das Axon, verästelt sich bis zu den Synapsen hin. Und wenn jetzt die Synapsen eine ausreichende Wirkung entfachen, zündet das Neuron sofort wieder. Damit schwingt der Oszillator. Für einen einzigen Gedanken sind tausende von Neuronen notwendig, die sich gegenseitig befeuern.

Wenn Sie diese, sicher sehr anspruchsvolle, Darstellung wirklich begriffen haben sind Sie dem »Gesicht« des Gehirns in Ihrem eigenen Denken wesentlich näher gekommen. Es ist die Grundlage für jede Erkenntnis zum persönlichen Erfolg.

Doch wie so oft, werfen Antworten neue Fragen auf. Hier zum Beispiel Die Frage: „Wer löscht das Oszillatorfeuer wieder? Denn es handelt sich tatsächlich um eine Kettenreaktion. Unsere Gehirne wären nach wenigen Sekunden von feuernden Neuronen überflutet. Gefolgt von spastischen Lähmungen. – Die Antwort darauf finden Sie im nächsten Beitrag »Brandstifter und Feuerwehr im Gehirn« 

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