Irrtum erbliche Intelligenz? - Krieg um die Deutungshoheit

Aus der Serie: Irrtümer zum Gehirn

Wir kennen ihn alle aus dem Geschichtsunterricht, den »Krieg um Besitzstände«. Die gesamte Geschichte der Menschheit handelt davon. Von Eroberrungen, Versklavungen und Aufständen. Doch von einem Aspekt dieser Kriege erzählen die Geschichtsbücher nur wenig, nämlich vom Krieg um die Deutung der Intelligenz.

Unterjochte Völker und Sklaven wurden über Jahrtausende öffentlich als geistig minderwertig herabgestuft. Heute sind diese Diffamierungen geächtet. Erleben wir doch, dass Menschen aus allen Völkern dieser Erde auch in der sogenannten westlichen Kultur zu höchsten Ehren gelangen können. Sie entwickeln sich zu Professoren und bekleiden außerordentliche Ämter, wie es uns Barack Obama eindrucksvoll vorgeführt hat.

Doch der Kampf um die Deutung der Intelligenz dauert an. Erst 2010 erlebten wir mit der Diskussion um das von Thilo Sarrazin geschriebene Buch »Deutschland schafft sich ab« ein makaberes Zwischenspiel.

80 Prozent der Intelligenz sollen erblich sein, so steht es in diesem Buch. Eine niederschmetternde Nachricht für fast alle Erfolg Suchenden sowie alle Menschen ohne schulischen Abschluss am unteren Ende der Einkommensskala. Bedeutet sie doch, dass der soziale Käfig praktisch für immer geschlossen bleibt – auch für die bedauernswerten Kinder.

Vieles spricht dafür, dass die Kampagnen irgendwie gesteuert sind. Schob doch bereits 2012 E. Zimmer, anerkannter Wissenschaftspublizist, ein Buch nach mit dem Titel »Ist Intelligenz erblich?« – In diesem Buch beweist er auf 271 Seiten anhand von Intelligenzstatistiken für eineiige Zwillinge, offensichtlich lückenlos die 80-Prozent-These von Thilo Sarrazin. – Und nun?

Quelle: Fernstudium Psychologie
Quelle: Fernstudium Psychologie

Zum Link auf dem Bild:  Das Pro oder das Kontra zur Erblichkeit der Intelligenz ist in fast allen Diskussionsbeiträgen gefärbt. Und zwar von Lobbyisten. – Kein Beitrag jedoch berücksichtigt die identische Attraktivität von eineiigen Zwillingen und damit die meist ähnliche gesellschaftliche Entwicklungsumgebung.

Ich kann Ihnen hier nicht alle Ausführungen dazu erläutern. Unser Buch enthält jedoch im Titel »Attraktivität, Charakter und Intelligenz« eine komplette Wertung der Situation. Dabei stieß ich auf erstaunliche Fehlinterpretationen in den Kommentaren von E. Zimmer.

Danach lassen sich weder 80 noch 40 Prozent Erblichkeit für die Intelligenz halten, denn die zugrundeliegenden Intelligenztests unterschlagen den so ziemlich wichtigsten Lebensfaktor jedes einzelnen Menschen, die eigene Attraktivität beziehungsweise die persönliche Ausstrahlung. Dies wiegt umso schwerer, als alle Erhebungen zur Intelligenzerblichkeit an eineiigen Zwillingen vorgenommen wurden, die kurz nach der Geburt voneinander getrennt wurden. Solche Zwillinge kommen praktisch mit identischer Attraktivität daher. Kein Wunder also, wenn die Intelligenzunterschiede wesentlich geringer ausfallen, als im Durchschnitt der Bevölkerung. Bestimmt doch die eigene Ausstrahlung meist das soziale Umfeld und damit hochgradig die Motivationen zum Lernen

Im Buch werden Sie erfahren, was diese Attraktivität mit Intelligenz und Charakter zu tun hat. – Aber die gern geschürte Formel, dass mehr Attraktivität auch mehr Intelligenz bedeutet, ist schlichtweg falsch, wie Sie im Buch erkennen werden.

Der nachfolgende Textauszug stellt die sogenannte »Sozioattraktive Prägung« in Gruppen dar. Sicher werden sie aus diesem kurzen Vortext heraus nicht alles nachvollziehen können, ganz zu schweigen von den Verweisen auf Denkpunkte in anderen Buchabschnitten. – Doch sie werden erkennen, in welch vielschichtigem Milieu sich die Entwicklung von Motivationen vollzieht. Motivationen, die gemeinsam mit dem Charakter schulische Leistungen zur Festigung der Intelligenz fördern oder brachlegen.

Ergänzender Original-Textauszug aus dem Buch.

Kapitel:            4     Soziale Erfolgsbarrieren

Titel:                4.3  Attraktivität, Charakter und Intelligenz

Thema:           Die Wurzeln der Intelligenz

……Jede Gruppenzugehörigkeit führt jedoch früher oder später zu einer gewissen Anpassung von Ansichten, Äußerungen, Gewohnheiten oder gar von Feindbildern und Vorbildern. – Gehirne reflektieren ihre soziale Umgebung (E60 Intelligente Antwort S.175).

Damit verändert sich auch das Selbstbild mit anderen Motivationen für den Schulerfolg oder für die Art, Menschen gegenüberzutreten. Ja, es betrifft sogar die Sicht auf die eigene Zukunft. – Kein Wunder, wenn damit auch die Entwicklung der Intelligenz, die Fähigkeit höhere Schulabschlüsse zu erreichen, sinkt oder auch steigt.

Dieses Szenario katapultiert uns mitten hinein in das unglaublich vielschichtige Milieu der Gehirnsabotage. Von außen betrachtet ist es ein kaum noch erfassbares Tohuwabohu, es ist das »sozioattraktive Milieu«, in dem jeder Mensch seine »sozioattraktive Prägung« erfährt (E60 Intelligente Antwort S.175). – Sie schenkt jedem Menschen seine persönliche Erfolgs- oder Misserfolgsfähigkeit in Form von Motivationen und Denkgewohnheiten.

Die »sozioattraktive Prägung« entsteht aus der Hin- und Hergerissenheit des Einzelnen in sozialen Gruppen. Dem Zwiespalt zwischen der eigenen Selbstverständlichkeit, geboren aus der eigenen Attraktivität, und dem Zwang, sich anzupassen oder sich zu distanzieren. Die Dynamik dazu lässt sich nach dem reflektorischen Regelkreis verstehen. Die eigenen Sollwerte konkurrieren anfangs mit den Gruppensollwerten, gleichen sich aber durch gegenseitige Beeinflussung immer weiter an, bis zuletzt beide Sollwerte ziemlich dicht beieinanderliegen (E60 Intelligente Antwort S.175).

Meist passen sich die eigenen Sollwerte an, während die Gruppensollwerte dominieren und konstant bleiben (E70 Nachgemacht S.196). Je höher jedoch die eigene Attraktivität im Verhältnis zur Gruppenattraktivität ausfällt, desto mehr kann sich auch die Gruppe anpassen. Dies passiert jedoch recht selten. Wer sich nicht anpasst, wird meist entweder zum Außenseiter oder er verlässt die Gruppe.

Der Trend zur Gruppen-Konformität, also der Übernahme von Gruppenwerten, ist jedoch die Regel. Wenn sie die Wahl haben, suchen sich Menschen Gruppen, die der eigenen Selbstverständlichkeit schon weitgehend entsprechen.

E72 Sozioattraktive Prägung: Die Prägung von Ansichten, Selbstsichten, Denk- und Handlungsgewohnheiten, Zukunftsperspektiven sowie ganz besonders von Motivationen im Spannungsfeld zwischen eigener Attraktivität und sozialem Umfeld.

Trotz dieser Vielfalt ergibt es Sinn, wenn Menschen sich scheinbar »instinktiv« von ähnlichen Menschentypen fernhalten, sofern sie mit einem Vertreter dieser Ausstrahlungsart schlechte Erfahrungen verbinden. Ähnlich aussehende Menschen warten mit einem ähnlichen Charakter auf, mehr oder weniger.

Ich wundere mich immer wieder darüber, wie stark doch die Äußerlichkeit eines Gesprächspartners bereits in den ersten Sekunden seinen später offener zutage tretenden Charakter widerspiegelt, und zwar dann, wenn man ihn mit ähnlichen bekannten Menschen vergleicht. (E96 Menschenkenntnis S.282). Die Attraktivität bleibt nach wie vor die führende Kraft für die Ausprägung des Charakters, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden. – Machen Sie sich selbst ein Bild. Gelegenheit dazu finden Sie täglich mehrfach.

Intelligenz entsteht also aus den Schmelztiegeln sozialer Reflexionen heraus. Geprägt von Attraktivitäten und deren daraus gespeisten Charakteren. Geformt aus der Anpassung an Denkgewohnheiten in jugendlichen Gemeinschaften, den Klassenverbänden in den Schulen, den Cliquen, dem Elternhaus, dem Fußball- oder Kleingärtnerverein und so weiter. Jeder Einzelne schöpft daraus seine eigene Zukunftsmotivation für den Schulerfolg sowie jene daraus entspringende Berufswahl.

Motivationen und Denkgewohnheiten, das sind die eigentlichen Wurzeln der Intelligenz. Nur bei vorhandener Motivation kann Intelligenz im Rahmen der angenommenen Denkgewohnheiten wachsen, sich in Schulerfolgen und Berufsabschlüssen niederschlagen. Sich im Beruf möglicherweise zu Anpassungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen transformieren. ……

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