Irrtum Alters-Demenz - Lebenslange geistige Fitness

Aus der Serie: Irrtümer zum Gehirn

Wer mit über vierzig Jahren seine Stellung verliert, hat es heute schwer, eine neue gleichwertige berufliche Aufgabe zu finden. Mit über fünfzig Jahren wird es schon fast unmöglich. Berufliche Erfahrungen verlieren heute beinahe eben so schnell ihren Wert wie angesammeltes reines Wissen. Wie eine Unesco-Studie von 1998 zeigt, verfällt sogar Universitätswissen im Mittel nach 5,5 Jahren.

Sie haben es sicher bereits erkannt. Ich meine hier nicht die im höheren Alter auftretende Demenz mit Gedächtnisverlust und Verfall der Persönlichkeit, oft als Alzheimer-Krankheit diagnostiziert. Vielmehr geht es hier um den vielfach in den Medien angesprochenen vermeintlichen Rückgang aller geistigen Kräfte, der bereits im Alter von ca. 30 Jahren schleichend einsetzen soll.

Quelle: Fit bis ins hohe Alter!
Quelle: Fit bis ins hohe Alter!

Zum Link auf dem Bild: Geistig fitt bleiben bis ins hohe Alter. – Tausende von Ratgebern auch auf Webseiten versprühen Ratschläge dazu. Doch es sind immer dieselben abgegriffenen Lehren: Körperlich, geistig und sozial aktiv sein, gesund ernähren und ganz besonders Gedächtnistraining. Alles richtig, doch den »Kern des Pudels« treffen sie selten.

Wissenschaftlicher sprechen aber auch von einer altersunabhängigen Anpassungsfähigkeit unseres Gehirns. Sie nennen dieses Phänomen »Neuronale Plastizität«. Danach ist jedes Gehirn zu jeder Lebenszeit in der Lage sich seiner neuen Umgebung einschränkungsfrei anzupassen. – Wie passt das zusammen? Weshalb trauen viele Unternehmer älteren Mitarbeitern keine Flexibilität mehr zu? Sondern lassen sie oft in deprimierend herabgestuften Abstellposten ihrer Pensionierung harren und beklagen gleichzeitig lauthals den Fachkräftemangel!

Dieser Zwiespalt hat eine einfache Ursache: Die meisten, der mir bekannten Ingenieure schleppen mit fortschreitendem Alter ihre Berufserfahrungen in einem dauernd anschwellenden »Bauchladen« mit sich herum, den sie dann bei jeder Gelegenheit auf dem Besprechungstisch »ausschütten«. Vergessen dabei jedoch, dass Wissen und Erfahrungen in wenigen Jahren ihren Wert verlieren. Wer sich jedoch darauf verlässt, der provoziert Karriereknicke, die dann schnell den Weg in die Erfolgsruinen herbeiführen. – Und das nicht nur für Ingenieure.

Der Ausweg ist so einfach wie die Ursache. Es ist die Weiterentwicklung von Punkt 1 der Erkenntnisse zum Lernen »Lerninhalte minimieren sich, wenn sie von Erkenntnissen getragen werden«. Und diese Lerninhalte minimieren sich nicht nur, sondern bilden gemeinsam mit den Erkenntnissen eine lebenslang im Gedächtnis zur Verfügung stehende Kompetenzbasis. – Erkenntnisse verwelken nicht.

Im Buch werden Sie erkennen, wie Erkenntnisse im Gehirn entstehen, weshalb sie ein Leben lang präsent sind und dass sie zwar eigenes Denken benötigen, doch jeden Erkenntnisschritt mit Freude und Genugtuung als Emotion belohnen. Darüber hinaus vermittelt das Denken in Erkenntnissen jedem Gehirn lebenslange Fitness, denn dieses Denken bedeutet Hochleistung mit oft tausenden von aufgerufen Gedanken-Oszillatoren, ohne das es schmerzt. Viel intensiver als jenes in den Medien angepriesene Gehirnjogging. Einsetzbar ohne Vorkenntnisse in jedem Alter.

Der nachfolgende Textauszug betrachtet in diesem frühen Buchstadium (Seite 60) noch keine Erkenntnisse, sondern die Suche nach den Gedächtnisträgern im Gehirn als auch die »Neuronale Plastizität« als Denkpunkt.   

Ergänzender Original-Textauszug aus dem Buch.

Kapitel:            1     Kleine Gehirnkunde

Titel:                1.3  Gehirnnerven sprechen miteinander

Thema:           Neue Brücken zwischen den Gehirnnerven

……Napoleon sicherte sich die Anerkennung seiner Soldaten unter anderem durch die Worte: „Jeder trägt den Marschallstab im Tornister.“ Das Geheimnis dieses Marschallstabes umschreiben Forscher mit den schrecklichen Worten »neuronale Plastizität«. Das heißt: Jedes menschliche Gehirn kann sich ein Leben lang seiner Verwendung anpassen. Nicht nur für das Lernen, sondern auch und vor allem für jene Strukturen im Gehirn, die jedem von uns seine Art zu denken und zu handeln vorgeben.

E21 Neuronale Plastizität: Jedes Gehirn kann sich zeitlebens den Erfordernissen der Umwelt anpassen. Es ist die tief greifendste Verheißung für den persönlichen Erfolg.

Jedes Gehirn kann sich also ein Leben lang selbst erneuern. – Und damit ist genau diese hebbsche Lernregel gemeint. Intelligenz erscheint danach in einem völlig neuen Licht. Damit ist sie nicht nur zeitlebens formbar, sondern entfernt sich auch immer weiter von dem Stigma, vererbt zu werden.

Diese Plastizität des Gehirns erscheint sogar gegenständlich. Egal, in welchem Alter ein Mensch beginnt, täglich auf dem Klavier zu üben, sein Gefühlszentrum für den Fingerbereich wird sich räumlich verstärken, was heute schnell mit bildgebenden Gehirnkarten nachzuweisen ist (E35 Die Wunderwaffe fMRT S.105).

E22 Die heißeste Spur zum Gedächtnis: Synapsen verstärken die Impulsweitergabe mit jedem Impuls, der hindurchläuft. Damit feuert ein nachgeschaltetes Neuron immer schneller, wenn es über dieselben Synapsen aufgeladen wird. – Es erhöht seine Feuergeschwindigkeit.

Eine denkbar gehirnbrecherische Angelegenheit, wenn man über diese Gehirnbausteine nachdenkt, noch dazu, wenn sie einer so unorthodoxen gegenseitigen Abhängigkeit folgen. Doch diese variablen Abhängigkeiten gaben den Wissenschaftlern Sicherheit, die Spur des Gedächtnisses wirklich zu verfolgen.

Auch wenn Sie jene Schlussfolgerungen jetzt noch nicht mit letzter Klarheit nachvollziehen können, sollten Sie nicht verzweifeln, denn im nachfolgenden Kapitel werden wir diesen Gedankengang noch ausführlicher aufnehmen, um die Funktion der Gedächtnis tragenden Oszillatoren zu erkennen.

Synapsen wirken also als eigentliche Gedächtnisträger. Übertragungsstarke Synapsen bilden Vorzugsbahnen für das von Aktionspulsen überflutete Nervennetzwerk im Gehirn. Und jedes Mal, wenn Sie bestimmte Gedächtnisinhalte aufrufen, verstärken sich diese Vorzugsbahnen. Sie bringen immer mehr Neuronen entlang dieser Bahnen zum Feuern. – Es ist, als ob Baufahrzeuge ihre Reifenspuren in einer vom Regen aufgeweichten Großbaustelle hinterlassen. Alle späteren Fahrzeuge werden die ersten angelegten Spuren vorzugsweise wieder benutzen. Aber auch quer verlaufende Spuren bleiben immer noch in Fragmenten erkennbar und lassen sich nachfahren, wenn auch mit etwas größerem Spurenlese-Aufwand.

Genauso, wie Fahrzeugspuren auf einer feuchten Baustelle sich später selbstständig einebnen, verblassen auch Gedächtnisinhalte wieder. Doch viele Gedächtnisinhalte bleiben. Wir können uns noch nach Jahrzehnten zum Beispiel an die eigene Hochzeit erinnern. Auch hierfür fanden Wissenschaftler entsprechende Reaktionen in den Synapsen. Jene Impuls-Verstärkung an den Synapsen wurde kurzzeitig, aber auch langzeitig wirkend nachgewiesen. Offenbar festigen sich diese Denkspuren irgendwann bei wiederholtem Denken an wichtige Fakten oder Ereignisse so sehr, dass sie kaum noch löschbar sind. ……

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